Mittwoch, 30. März 2011

We cry for you Argentina

Wir haben Argentinien nun endgültig verlassen. Am Anfang unserer Rundreise durch dieses beeindruckende Land hätte ich mir niemals gedacht, dass ich traurig sein würde wieder in Chile zu sein. Aber die letzten Tage in Salta und Umgebung waren so unsagbar prägend und interessant. In meinem Spanischkurs habe ich viel gelernt (was heißt nochmal "Wo ist die Toilette?"). Dann habe ich nach drei Monaten endlich meine Scheu abgelegt Englisch zu sprechen - zumindest so lange bis mir wieder einfällt, dass ich genau das tue ;o). Und ich musste einen sogenannten "Masseur" abhalten mich in null komma nix blank zu legen, obwohl ich nur eine Nackenmassage bestellt hatte. Wie ihr seht ist neben unseren tollen Trips in die Umgebung in den zwei Wochen Salta viel passiert. Der wirklich charmantesten Großstadt, die wir in Argentinien finden konnten. 

Die 24-Stunden-Fahrt nach Arica war leider nicht so charmant. Die Anden waren zwar wieder absolut imposant, aber wie es auch die Alpen so an sich haben, sind es Berge. Und die Anden sind sehr hohe Berge. Also mussten wir, um sie zu überqueren rauf auf 4200 Meter, runter auf 3000 Meter, wieder rauf auf 4100 Meter, wieder runter, wieder rauf und am Ende nach Arica, runter auf Meereshöhe. Leider habe ichs dieses Mal nicht so gut weg gesteckt wie beim letzten Mal. Weshalb ich mich frage, ob die Sage um die Koka-Blätter doch wahr ist und sie dich vor der Höhenkrankheit schützen, die, wie ich gelesen habe, sich auch aufs Gehirn auswirken und tödlich sein kann? Aber, "schlau" wie ich bin, habe ich die Blätter wegen des Grenzübertritts nach Chile im Hostel entsorgt (sind ja doch leichte Drogen). Also waren wir ohne Schutz unterwegs und wurden prompt mit höllischen Kopfschmerzen und Atemnot bestraft. Selber Schuld, in allen Reiseführern warnen sie Dich vor den Folgen und geben Dir Tips für etliche Hilfsmittelchen.

Nun sind wir hier in Arica, einer recht großen Stadt direkt am Pazifik, an der Grenze zu Peru. Das interessanteste hier sind aber nicht die Sehenswürdigkeiten, wie etwa eine von Gustave Eiffel gefertigte Kirche komplett aus Eisen, sondern der Grenzverkehr nach Peru. Du siehst etliche ältere Damen am Busterminal verharren und auf einen Bus nach Tacna, der ersten Stadt in Peru, warten. Alle samt mit riesigen Kleiderbündeln und anderen alten Dingen. Eine schleppt drei riesige Fernseher an uns vorbei. Wir hegen den Verdacht, dass diese Peruanerinnen in Chile noch verwertbare Gegenstände in Kleinstarbeit zusammen sammeln und für sich bzw. zum Verkauf nach Peru "schleusen". Ein nettes Schauspiel.

Morgen wollen wir uns diesen Damen mit eher gemischten Gefühlen anschließen, um uns in einem Bus nach Arequipa auf 2400 Metern hoch zukämpfen. Unsere erste Station in Peru. P E R U. Wenn ich dieses Wort höre, kriege ich es etwas mit der Angst zu tun. Klar, wir wollen unbedingt die Schätze der Inkas bewundern und die so beeindruckende Natur erleben. Aber auch Ross, unser neuseeländisch / chilenischer Gastgeber warnt uns vor den Dieben und Räubern, die wohl direkt nach der Grenze auf westliche Touristen wie uns warten, um sie mit einem Ablenkungsmanöver zu bestehlen. Außerdem sollen die Unterkünfte und Zustände in Peru alles andere als so angenehm wie in Argentinien sein. Ja, auch hier trauere ich Argentinien nach….

Drückt uns die Daumen
Eure Doreen

An der Grenze mitten in der Atacama-Wüste, der trockensten Wüste der Welt. 

Während der Fahrt durch die Atacama-Wüste. 
Am Busbahnhof in Arica. Hier schleppt gerade eine Frau ihre Beute.

Die Eiffel-Kirche, innen hübsch amerikanisch anmutend.


Am Strand von Arica. Leider ist er menschenleer, da Nebensaison ist. 

Ein paar Alltagsfotos.... hier bin ich auf dem Dach unseres Hostels beim
Wäsche aufhängen. Leider ist die Wäsche aufgrund der nahen Wüste beim
Abnehmen schon wieder leicht sandig. 

Richy beim Friseur in Salta. Nett war er . Der Stuhl ist aber auch super, oder?
Ganz liebe Grüße an die Beiden, die sich bestimmt gleich
angesprochen fühlen ;o) Ich trage es jede Nacht! Ist ein
bisschen wie die Kuscheldecke zuhause...heimelig. Danke!!!



Freitag, 25. März 2011

Hügel der sieben Farben, Teil 2

You find lego-style house-collections 
like this a lot in Argentina. The rights to buy
one house are given away
 by lottery. (English captions this time 
due to popular demand, deutsche 
Übersetzung auf Anfrage ;-) 
Ich sehe reihenweise Häuschen wie aus Legosteinen, hoch oben auf einem Andenplateau im Norden von Argentinien. Bei der Anfahrt auf das Örtchen "San Antonio de Los Cobres" frage ich unseren neuen Reiseführer Cristian, was es mit den, offenbar frisch aus dem Fels gestampften Reihenhäusern im am Rand des Dorfes auf sich hat. Er sagt, die werden vom Staat gebaut. Billigst.  Jedes Haus kostet 70.000 Pesos, also rund 12.000 Euro. Deshalb seinen die Häuser unter Argentiniern extrem begehrt, selbst in dieser kärglichen Gegend. Die Kaufrechte werden verlost. Wer gewinnt, zahlt danach jahrelang. Denn Geld haben hier die wenigsten, auch unser Reiseführer nicht. Doreen nutzt eine der Fahretappen für eine Plauderei mit ihm. Cristian erzählt von seinem Leben und seinem Alltag. Von seinen vier Kindern. Davon, dass er jeden Tag um 6 Uhr zu arbeiten beginnt. Dass sein Tag um 23 Uhr endet. Dass seine Familie ihn - wann immer möglich - auf der Arbeit besucht, damit sie einander sehen. Er erzählt, dass er gewöhnlich zwei Wochen durcharbeitet, und dann ein bis zwei Tage frei nimmt. Dass er jahrelang keinen richtigen Urlaub mehr hatte;  dass er dieses Jahr mit seiner Familie für ein paar Tage zu den Wasserfällen nach Iguazu fahren wollte; sich das dann aber wegen Krankheit seiner Tochter nicht mehr leisten konnte. Ich frage mich, was er wohl denkt, wenn ihm 18-jährige Abiturienten aus Europa erzählen, wie sie auf Kosten ihrer Eltern zwei Monate in Argentinien einen drauf machen. Solche gibt es hier in Salta nämlich einige.

I really wonder why Doreen
is so full of love for 
cactus-plants. Hints of 
her character?    
People from Argentina praise the dead.
 Big cemeteries built into the mountains 
are quite common around
 San Antonio and Purmamarca.  
Ich dachte immer, ich sei harte Arbeit gewohnt, mit 70-Stunden-Woche und so. Aber was Cristian erzählt, das geht weit darüber hinaus. Trotzdem sei er glücklich, sagt Cristian. Seine Familie sei sein Glück. Wirtschaftlich betrachtet, sieht er sich selbst eher in der Mittelschicht. Immerhin beherrscht er mehrere Sprachen, und zählt damit unter den Tourguides zur besser bezahlten Elite. Jedenfalls sei das vor zwei bis drei Jahren noch so gewesen. Da haben Touristen für englischsprachige Führungen extra Pesos entrichtet. Inzwischen hat der harte Wettbewerb dazu geführt, dass die Reisebüros solche Extraleistungen an ihre Kunden verschenken statt verkaufen. Gespart wird jetzt an ihm und anderen  Angestellten, wie überall auf der Welt. 

Our tourguide Cristian (next to me):
 Proud owner of a Ford, 
english-knowledge and four children.  
A tree, a horse and a mountain range. 
All you need for a picturesque foto. 
Die Fahrt durch den nördlichsten Teil von Argentinien geht weiter. Cristian erinnert uns, dass wir jetzt die Kokablätter bräuchten, die wir uns gleich nach Start unserer Reise in die Hochanden besorgt hatten . Wir sollen sie in die Backen stecken und dort lassen. Nicht beißen, nicht kauen. Der Saft würde sich mit der Zeit aus den Blättern lösen und die Sauerstoffaufnahme im Blut verbessern. Die Blätter in den Bäckchen fühlen sich nach kurzer Zeit nicht mehr so sehr wie nach einer Zahnarzt-Spritze an; sondern entfalten ein angenehmes Aroma, ein bisschen wie Kräutertee. Ob sie wirken, das ist laut unserem Lonely-Planet-Buch strittig. Aber bekanntlich versetzt der Glaube ja Berge. Und wir haben uns inzwischen über mehrere Hochebenen auf rund 4000 Meter Höhe empor gearbeitet, wo die Luft schon merklich dünner wird. Wer wenig trinkt oder ungewohnt viel sportelt, der bezahlt mit der so genannten "Höhenkrankheit": einem echt diabolischen Kopfschmerz, der einem das Hirn durch die Augen aus dem Schädel treibt. Doreen bleibt verschont, mich erwischt´s trotz Kokatrick am späten Abend. Zu wenig getrunken, zu schnell bewegt, zu viel Sonne getankt.  

Doreen dancing on the 
"Salines Grandes": plains of pure salt, 
which is being washed out from the
 soil underneath. 
Denn einen weiteren Höhepunkt bildet unser Halt an den "Salinas Grandes": gewaltige Ebenen aus Salz, die bis zum Horizont reichen. Die weiße Fläche reflektiert die Sonne gnadenlos, sie brennt sich dir in die Augen, bildet einen unwirklichen Kontrast zu den paar Wolken am strahlend blauen Himmel. Hier würde ich gerne ein bisschen länger bleiben wollen, um den unfassbaren Anblick und diese Stille zu genießen. Einfach mal gar nichts hören, nicht mal ein Vogelzwitschern. Interessantes Gefühl. Leider sitzen der Tourguide und das zweite Pärchen schon seit zehn Minuten im Auto, und sehr viel länger darf ich deren Geduld wohl nicht mehr strapazieren. Das ist einer der Momente, wo ich die geführte Tour verfluche. Andererseits wäre ich ohne sie wohl nie hier gelandet, und hätte ohne Cristian so viel über den Alltag in Argentinien erfahren. Doreen und ich beschließen, dass wir irgendwann nochmal hierher müssen. Dann auf eigene Faust. 

Doreen fell in love with the purple colors 
of the mountain called 
"Cerro Siete Colores". Join her 
Facebook-group by clicking here
Koka-leaves make up cocaine, 
but also some real good tea. Just throw
 them into hot water, add sugar, enjoy. 
Sollte es wirklich so kommen, verbringen wir sicher nicht bloß eine Nacht, sondern mehrere davon im bezaubernden "Purmamarca". Ein wirklich idylisches Örtchen, geprägt durch hübsche Häuser und bunte Märkte, eingerahmt von Hügeln und Bergen in den buntesten Farben und Formationen. Doreen verliebt sich in den lila Schimmer des "Cerro de los Siete Colores", der Berg der sieben Farben. Ich verliebe mich in den Pfad um den Berg herum. Wo ich hier überall klettern könnte, wenn mir die Rundfahrt nur Zeit dafür ließe! Ist wahrscheinlich der letzte Berg in Argentinien, den wir so hautnah erleben. Nach Purmamarca führt unsere Fahrt noch durch diverse, weniger bemerkenswerte Orte inklusive Stops an diversen Souvenirshops.
The rainforest in the evening twilight, as seen 
from the Ruta Panamericana  on our way
 back to Salta.
Aufkommende Müdigkeit weicht Neugier, als wir einen kurvenreichen Abschnitt der RA9 erreichen, der berühmten Ruta-Panamericana-Straße. Auf 30 Kilometern hab ich noch nie so viele Kurven - waren es über 500? - am Stück erlebt, ein Fest für Vollgasköpfe wie mich! Leider sitze ich nicht am Lenkrad. Das hier muss ich unbedingt irgendwann selbst fahren, dieses herrliche Geschlängel durch den Regenwald. Es bringt uns zurück nach Salta, und damit endet unser vorläufig letzter Ausflug in die Pampa. Doreen beendet in den uns verbleibenden Tage in Salta ihren Spanischkurs; und ich bin glücklich, dass ich nach meinen paar Gitarrenstunden zumindest das argentinische Folklorestück "Luna Tucumana" halbwegs unpeinlich drauf habe. Wer sich traut: Klick, Geduld und Nachsicht, bitte danke ;-). Sonntag früh werden wir Nordargentinien verlassen, wir steigen in den Bus nach Chile. Er bringt uns nach Arica, an die Grenze zu Peru - unsere letzte Station in Südamerika. 
Gruß aus der Salzwüste, 
Richard 

Dienstag, 22. März 2011

Hügel der sieben Farben, Teil 1


Some cactus seem to grow taller 
than the ones in the gardencenter. 
This one measures 12 metres. 
(English captions this time due to
 popular demand, deutsche Übersetzung
 auf Anfrage ;-)

Geführte Touren sind nichts für mich. Das hatte ich schon vor einigen Wochen vermutet, nach der Fahrt zum Pinguinwatching in Puerto Madryn. Jetzt hat sie sich die Vermutung bestätigt. Doreen und ich wollten nämlich unser Hostel für zwei Tage hinter uns lassen, das Umland erkunden, die Menschen in Grenznähe zu Bolivien kennen lernen. Wir haben dazu bei einer der dutzenden Agenturen hier in Salta eine Rundfahrt gebucht. Schließlich hört und sieht man geradezu Sagenumwobenes. In unserem Lonely-Planet-Buch ist die Rede von Regenwäldern und  Riesenkakteen, von Wüsten aus Salz auf 3000 Metern Höhe. Derart unbekanntes Terrain auf eigene Faust erkunden? Geht, kostet aber Geld wegen des Mietwagens, und Zeit, weil man sich hundertpro viele Male verfährt. Beschilderung findet in den hiesigen Breiten nur sporadisch statt. Um unsere Nerven zu schonen, und weil´s das Budget eh nicht hergibt, bleibt die geführte Variante. 120 Euro pro Nase, für die komplette 600-Kilometer-Rundfahrt mit einer Übernachtung und rund einem Dutzend Stopps, das geht in Ordnung. 
Llamas crossed our path many times. 
Later that day we learned that 
they make up for some tasty Gulasch, too! 

Doreen touches so called 
"handmade goods". Probably 
made by machinery 
in Bolivia, as we learn later.
Und so stehen wir also um sieben Uhr in der Früh abholbereit an der Eingangstür unseres Hostels. Eine halbe Stunde später werden wir tatsächlich aufgesammelt. Erste Überraschung: Unser Reiseführer Fabricio spricht englisch. Wir hatten unsere Agentur zwar bei Buchung der Tour darum gebeten. Aber dass das wirklich klappt, wer hätte das gedacht? Prima! Alles andere macht einen etwas halbseidenen Eindruck. Fabricios Toyota-Jeep-Light ist mit ihm als Fahrer, Doreen, mir und einem weiteren Urlauberpaar aus dem Süden von Argentinien mehr als prall gefüllt. Na, irgendwie bringen wir die 600 Kilometer schon hinter uns… 
These rotten rails are still in
 use by the "Tren de las Nubes", 
the Train to the Sky which goes up
 to 4000 Meters.

Die Fahrt endet bereits nach fünf Minuten. Wir werden bei einem der hiesigen "Kioscos" abgeladen. Diese Minimärkte führen alle Notwendigkeiten des Alltags. Dazu zählen offenbar auch Kokablätter, erzählt Fabricio. Mir ist sowas aus diversen Drogenthrillern nur als Bestandteil von Kokain, und damit als illegal bekannt. Kratzt hier aber keinen Menschen. Fabricio rät uns, dass wir ein paar Blätter kaufen. Eine Tüte voll, das macht 8 Pesos, rund 1,30 Euro. Wir würden die Kokablätter später noch brauchen. Und weiter geht die Fahrt. Gleich nach Salta mündet der Asphalt in Schlamm und Dreck. Wir sind in Nebenstraßen angekommen, die über die Anden nach Bolivien und Chile führen. Es regnet nur wenig, deshalb ist die Straße passierbar. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit, erklärt unser Guide - und zeigt mit der linken Hand auf einen, vom Fluß im Tal weggespülten Teil der Straße. Und deutet mit der rechten Hand auf einen Geröllhang, jüngst entstanden aus einem fiesen Steinschlag. "Unter den Felsen liegt noch ein LKW-Fahrer, den sie nicht mehr gefunden haben". Aha.  
  

The landscape changes every minute. 
Where was rainforest minutes ago, 
you now see sandstone and granite.  

Unser Toyota klettert und rutscht weiter. Ich habe mehr Glück als Doreen. Sie sitzt auf der Rücksitzband in der Mitte, eingezwängt zwischen mir und einem Argentinier mit rundlichem Wohlstandsbauch. Seine offensichtlich ebenfalls wohlhabende Frau sitzt vorne, auf dem Beifahrersitz. Die Enge ist nicht schön, aber sie macht die Fahrt nicht kaputt. Fabricio  redet wenig, und so starre ich aus den Seitenfenstern. Und genieße. Schlammige Pisten, etwas grauer Nebel und die leicht geschwungenen, mit Gras dicht bewachsenen Hügelrundungen um uns herum ergänzen sich zu einem Hauch von Abenteuer. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würden wir wirklich unbewohntes Gebiet erkunden und den Regenwald entdecken. Kaum Zeichen von Zivilisation erkennbar. Nur zwischendurch schälen sich ein paar uralte Gleise, verrostete Eisenträger und graubraune Brückenteile aus den sattgrünen Hängen. Sie sind Teil des "Tren de las Nubes" - der Zug zu den Wolken. Früher mal eine wichtiges Gütertransportmittel, heute eine Touristenattraktion.  

Some Wichis still live in the Nowhereland, 
and are proud of their nature
 lifestyle without electricity. 
Danach geht es Schlag auf Schlag. Von einem Moment auf den nächsten löst sich der Nebel auf; der Wald verschwindet; Steppe dominiert; riesige Kakteen bohren sich überall aus dem Fels. Unser Toyota klettert und klettert in die Höhe, alle paar Minuten ändert sich die Landschaft vollkommen. Fels; Sand; Granit; Bäume; Wälder; Farben; Strukturen; das Aussehen der Berge, alles befindet sich im steten Wechsel. Einen Moment lang wähnst du dich im Feuchtbiotop; dann huschen Zypressen vorbei und du glaubst dich in Italien. Nur Augenblicke später findest du dich mitten in einer eindrucksvollen Schlucht wieder, wo steil aufragende Strukturen aus Sandgestein dich gedanklich in eine mutierte Variante des Grand Canyon transportieren.

Motorbikers at 4180 m above sea level.
 We met one guy from the german town
 of Hamburg, who rides from
 Buenos Aires to New York City 
with his Stelzen-BMW. Respect!
Want to save some Pesos? 
Buy your lunch in 
the streets of San Antonio. 
One Empanada-roll  
for just 25 Euro-Cent. 
Zwischendurch stoppen wir in einem Ort namens "San Antonio des los Cobres". Ein heruntergekommenes Dorf mitten im Nirgendwo. Straßen aus braunem Kies, Häuser aus losen Ziegeln, dazwischen toben ein paar Kinder der hier siedelnden Minenarbeiter. Als wir halten, stürmen vier Frauen auf unsere Auto ein. Wollen indianische Strickwaren und putzige Stofftier-Llamas gegen ein paar Pesos tauschen. Wir wollen nicht kaufen, machen aber dieselbe Erfahrung wie bisher überall in Südamerika: niemand ist deshalb böse. Wenn man den Verkäufern in die Augen schaut und ihnen ein freundliches "No gracias!" zukommen lässt, dann erntet man ein Lächeln und der Belagerungs-Zustand löst sich auf. Kein Vergleich zu den ungemütlichen Dränglern und Drückern andernorts, etwa in Ägypten. Aber da gibt es noch etwas anderes in San Antonio, was mein Interesse weckt. Mehr darüber - und auch was es mit den Kokablättern auf sich hat, und weshalb ich keine geführten Touren mag - im Blog "Hügel der sieben Farben", Teil Zwei.

Gruß aus 4080 Meter Höhe, 
Richard 


Montag, 14. März 2011

Argentiniens schönste Seite



Argentinier feiern ihre Volkshelden.
Dieses Denkmal ist Martin
Miguel Güemes
gewidmet, der gegen Spanien
 um Argentiniens
Unabhängigkeit gekämpft
 hat. 
Die Straßen von Salta.
Sehr viel gepflegter als zum
Beispiel die von Buenos Aires.
Eigentlich hatten wir ganz andere Pläne. Eigentlich wollten wir in Paraguay abhängen; für eine Woche durchpusten und Kraft schöpfen für die letzten vier, wahrscheinlich recht anstrengenden Wochen in Südamerika. Nun hat sich unsere Bleibe dort aber als Vollflop erwiesen. Und auch sonst hatten wir in Paraguay ein bisschen Pech - siehe Doreens Blogeintrag. Soweit es mich betrifft, hatte ich auch einfach keine Lust mehr auf schäbige Unterkünfte und dreckige Straßen. Und so haben wir eine kurzfristige Routenänderung beschlossen. Statt über Paraguay nach Bolivien zu reisen, sind wir wieder zurück nach Argentinien. Salta sollte das Ziel sein. Wir hatten vorher ein bis vier Reisende getroffen, die mit glänzenden Augen von dieser Stadt im Norden Argentinien erzählt hatten. Na, mal sehen. 

Die hier hat mir Doreen
geschenkt. Wer kennt ihren Namen?
Für die Busfahrt hierher hatten wir ein bisschen Deluxe beim Betreiber Rio Urugay gebucht. Zwar keinerlei Ess- und Trinkservice an Bord, also keinesfalls ein Vergleich mit den Schampusfahrten mit Crucero del Norte; aber immerhin Cama Coche, sprich breite Leder-Schlafsessel zum schlummern. Nur hat unser Nachtbus an so ziemlich jedem Kaktus entlang der Strecke Leute aus- und wieder eingeladen; ist über Rüttelpisten geholpert; und um Kurven geschlittert, so dass an Schlummer oder gar Schlaf kaum zu denken war. So betrachtet ist´s gar nicht mehr so dramatisch, dass bei zwei von insgesamt vier verfügbaren Schlafplätzen die Rückenlehne nicht in Schlafstellung verharren wollte, und die ganze Konstruktion letztlich also doch nur als gewöhnlicher Sitzplatz funktioniert hat. Richtig geraten, mein Platz war auch kaputt. 


Von oben gibt´s einen schönen Blick
über die recht kompakte Stadt. 

Diese Seilbahn made
in Schweiz - der Teleferico -
beamt uns auf Saltas Hausberg,
den Cerro San Bernardo

Salta jedenfalls hat uns frühmorgens eindrucksvoll begrüßt. Du kommst quasi durch ein paar Ausläufer der Anden gefahren und siehst die Siedlung unten im Tal liegen, wie sie den Morgentau abschüttelt. Wunderschön. Was du bei der Anfahrt nicht siehst, und auch bei näherer Betrachtung nur ganz selten: Schutt, Baracken und all das andere, was uns bisher noch in fast jeder Stadt hier in Südamerika ein bisschen die Lust genommen hat. Salta kommt ganz anders rüber als andere Städte in Chile, Argentinien oder Paraguay. Hier wirkt alles sehr viel gepflegter und sauberer, und daher für verwöhnte Mitteleuropäer wie Doreen und mich automatisch einladender. 

Wir haben nur wenige
Kirchen in Argentinien
besucht. Und haben hier in Salta
mit Abstand die Schönsten
gesehen.
Kurzer Einschub mit Erläuterung: Südamerikaner neigen dazu  - und das sagen sie selbst! - das sie schöne Dinge weben; bauen; zimmern. Aber damit hat es sich dann halt. Einmal gemacht, wird´s danach kaum noch angefasst, gepflegt und in Stand gehalten. Das hängt bestimmt damit zusammen, dass du bei Tag wegen der extremen Temperaturen kaum arbeiten kannst. Aber es hat auch mit den Wahlen zu tun, bzw. wann wem welche Gelder zur Verfügung gestellt werden. So mancher Gobernador veranlasst große Bauten oder aufwändige Renovierungen in seinem Wahlbezirk nämlich mit Vorliebe dann, wenn er Wähler bei Laune halten möchte. In Südamerika kursiert das geflügelte Wort vom "politischen Asphalt". Soll heißen: kaputte Straßen werden vor Wahlen mit einer sehr dünnen Schicht Asphalt repariert. Das ist billig, hält aber nur ein paar Wochen. Eben solange, bis die Wahlen vorüber sind. Danach zerbröselt die frischgebackene Straße sehr schnell wieder unter der Last der vielen Busse und Hunderttonner. Und so wirken in Südamerika selbst die schönsten Bauten nach ein bis zwei Jahren schonmal mitgenommen. Häufige Sandstürme, Regenfälle und die oft sehr verpestete Luft in den Städten spielen dem Verfall in die Hand.

Kleine Argentinier stehen
auf dasselbe wie kleine
Deutsche: Naschzeug.
Der hier wartet im Zentrum,
am Plaza 9. Julio
- argentinischer Unabhängigkeitstag -
 auf sein Popcorn. 
In Salta dagegen läuft das irgendwie anders. Hier kannst die ältesten Gebäude finden, die es in Südamerika gibt. Wundervolle Kirchen, herrliche Klöster aus dem 16. Jahrhundert, also kurz nach der Entdeckung Amerikas entstanden. Die Bauten wirken sicherlich alt, aber werden nicht lieblos dem Zerfall überlassen. Die rund 300.000 Einwohner von Salta scheinen über irgendein Instandhaltungs-Gen zu verfügen, das zum Beispiel den Portenos fehlt. Sieht man auch in unserem Hostel Salta por Siempre. Irres Glück. Für 140 Pesos, also knapp 25 Euro, haben wir ein Zimmer ohne Wandschimmel, ohne Muffaroma, dafür mit netten Menschen, sauberem Bad und einer benutzenswerten Bettwäsche. Endlich mal nicht per Schlafsack Abstand halten zu den Flecken im Bettzeug. Ach ja: keinerlei Insekten! Selbst der landesübliche Hostelhund -  ein wirklich netter Schäfermischling - kläfft nicht, sondern bleibt brav in seiner Hütte, oder trottet unauffällig durch den wunderschönen kleinen Hofgarten mit vier Sonnenschirmen, drei Esstischen und zwei Liegestühlen. Geweckt werden wir von einem krähenden Hahn statt von heulenden Motoren. Und das nur vier Blocks vom Zentrum entfernt. Doch, hier lässt es sich leben. 

Ein ganz normaler Sonntag in
Argentinien: die einen waschen
ihr Auto...
...die anderen feiern den Sieg
ihres Lieblings-Fußball-
Clubs mit wehenden Fahnen.
Darum bleiben wir hier einige Tage länger. Vielleicht bis Ende der Woche, vielleicht länger, mal sehen. Bisschen lesen, Musik hören, plaudern, bummeln, die Aussicht vom Stadtberg Cerro San Bernardo genießen. Irgendwann werden wir mal eine längere Tour von ein bis drei Tagen machen, Richtung Salzwüste weiter oben im Norden. Es heißt, dort stieße man auf bizarre Landschaften und interessante Menschen. Bis dahin mache ich einen Gitarrenkurs bei einem alten Gaucho (Klick für Video) um die Ecke. Er spricht nur spanisch, ich fast gar nicht. Und trotzdem funktioniert das irgendwie. Ich kriege jeden Tag zwei Stunden argentinische Weisen beigebracht. "Luna Tucumana" (und nochmal Klick für Video) kann ich jetzt immerhin schonmal halbwegs singen und mit drei Akkorden begleiten. Wenn ich nach München zurückkehre, klappts bestimmt auch mit dem schnellen Umgreifen auf den F-Mejor-Akkord im Refrain. ;-) 
Gruß aus Salta, 
Richard 

PS: Haben die Deftones ein neues Album rausgebracht?



Donnerstag, 10. März 2011

Das Herz von Südamerika

Asuncion

Unsere Reise trägt uns nach 5 leckeren argentinischen Steaks weiter nach Paraguay - dem Herzen Südamerikas. 

Wir planen einen günstigen 1-wöchigen Urlaub. Im Reiseführer wird das idyllisch am See gelegene Hostel plus Campingplatz "Brisas del Mediterraneo" in San Bernardino hoch gelobt. Es ist ein kleines Dorf, 37 Kilometer entfernt von Asunción - der Hauptstadt Paraguays. Die Fahrt haben wir erstmals nicht im Voraus gebucht, sondern wollen uns mit lokalen Bussen nach SanBer - wie man unseren Zielort auch nennt - vorarbeiten. 

Der Busbahnhof von ...
Wir wissen es bis heute nicht
Von Paraguayern abgezockt und zwei Busfahrten in nem echten südamerikanischen Bus später, finden wir uns in einem Ort wieder, dessen Namen wir bis heute nicht kennen und den wir eigentlich nicht ansteuern wollten. Vor einer Minute wurden wir ausgesetzt. Von unserem Busfahrer, der uns vor der Abfahrt noch versichert hat, er fährt nach Asuncion. Tut er jetzt aber doch nicht, sondern wirft Richard und mich und andere Fahrgäste auf halber Strecke raus; drückt uns aber wenigestens noch drei Geldscheine in die Hand. Wo sind wir, und wie kommen wir weiter? Keine Ahnung… Aber dank Richys mutigem Geist und dem Hinweis eines Einheimischen, dass wir direkt hinter einem Busbahnhof stehen, finden wir uns schon kurze Zeit später in einem völlig überladenen Doppelstock-Bus, eingequetscht zwischen Treppe und Fahrerkabine, wieder. 

Endlich an der Kreuzung! 



Er fährt uns, ich kann es kaum glauben, genau dorthin wo wir hinwollen…an die Kreuzung Ypacarai - San Bernardino.








Völlig fertig und durchgeschwitzt am Campingplatz
angekommen. Der nette Paraguayer, Oscar, hinten im Bild, bringt
uns gleich bei Ankunft "Ein Bier bitte" auf Guarani bei, der
2. Amtssprache neben Spanisch in Paraguay. 
Es ist bereits dunkel geworden und wir laufen nun zu Fuß mit unseren schwer beladenen Rucksäcken 2 Kilometer entlang einer teilweise nicht beleuchteten Straße in Richtung unserer Unterkunft. Als wir endlich ankommen freuen wir uns unseres Lebens, dass wir in der paraguayischen Pampa unseren Campingplatz gefunden haben. Die Freude währt allerdings nicht lange. Als wir unser Zimmer erkunden wollen treffen wir auf etliche große herumlaufende Insekten. Es stellt sich heraus, dass es sich um riesige Wald-Ameisen handelt, die durch eine Öffnung unterm Dach zuhauf herein klettern. OK, damit könnten wir uns noch arrangieren. Womit wir allerdings nicht leben können ist ein Raum, der ausschließlich durch einen Gitterzaun von den Insekten und der Natur abgegrenzt ist. Die Küche. Hier wurde offensichtlich im letzten Jahr überhaupt nichts gereinigt. Überall liegen Speisereste herum, eine Ameisenstraße bahnt sich ihren Weg mitten durch die Küche, die Schränke sind übersäht mit dicken Tropfen und Dreckrändern der letzten Koch-Aktionen. Der Spülschwamm und die Handtücher sind so schwarz und alt, dass Du Angst hast Du holst Dir bei einer Berührung eine Krankheit. Wir scheinen im wirklichen Südamerika angekommen zu sein. Das ist mit Abstand die schäbigste Unterkunft, die wir bisher kennen lernen durften. Weitaus schlimmer als unser schimmliges Zimmer bei den Wasserfällen in Iguazú. Das findet auch Richy, der beim Anblick der "Küche" zu Stein erstarrt ist und nur noch verzweifelt seinen Kopf schüttelt.

Eigentlich wäre es am Campingplatz mit See ganz hübsch gewesen.
Der Sonnenuntergang war traumhaft, aber leider durfte man nicht baden,
da das Abwasser in Südamerika teilweise noch immer in die benachbarten Gewässer geleitet wird. 

Die "Küche" nach unserer Beschwerde und
Reinigung des Herdes
Am nächsten Tag fassen wir noch etwas Mut zusammen und wagen uns in den Speisesaal, zum - im Internet hoch gelobten - Frühstücksbuffet. Auf dem picken bereits die Vögel herum. Der Pool? Da schwimmt ein toter Frosch, vor Dreck und womöglich anderen Flüssigkeiten kann man den Boden nicht sehen. Unser Badezimmer? Bei Richards Toilettengang klettert ein Frosch (!) aus dem Spülkasten (!!), einen anderen Frosch entdeckt Richard am Abend an der Zimmerdecke verharrend. All das bessert unsere Laune nicht wirklich. Mir schwirrt immer wieder der Satz unserer Herbergsmutter durch den Kopf "Unser Campingplatz ist einfach, aber sauber…". Einfach, aber sauber…einfach, aber sauber. Wir entscheiden, dass wir uns das nicht antun müssen und reisen nach Richys tapferen Preisermäßigungs-Verhandlungen wieder ab. Übrigens ohne Frühstück; das wird uns am letzten Tag nämlich verweigert.  

Und trotzdem nimmt unser Aufenthalt am See ein schönes Ende. Denn als wir von einem kurzen Spaziergang durch San Bernardino zurückkehren - inklusive Besuch der deutschen Bäckerei "Panaderia Aleman" mit lecker Krapfen! - steht direkt vor unserer Behausung ein Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen aufgebaut. Das gehört Elke und Heiner aus der Nähe von Hamburg. 
Die zwei beiden. Eine schöne Fahrt war´s nach Asuncion
Die beiden bereisen Südamerika mit ihrem, per Container verschifften Benzmobil, das erzählen sie uns am Lagerfeuer bei Rotwein - und laden uns am nächsten Tag nicht nur zum Frühstück ein, sondern nehmen uns mit nach Asuncion. Danke nochmal dafür, das war wirklich großartig! 

Der Mann macht Feuer. Ob es wohl was wird? 
Jaaa, es hat funktioniert und stolz ist er :o)

Weniger erfolgreich läuft unsere Suche nach einem Anschlussbus. Eigentlich wollten wir wieder raus aus Paraguay, wieder zurück nach Argentinien. Leider geht aber heute kein Bus mehr über die Grenze; und das obwohl Asuncion direkt an der Grenze liegt. Wir können´s nicht glauben: Wir hängen fest!

Der schöne Innenhof + Pool
Aber die Köpfe hängen nur kurz. Denn wir beschließen: wenn wir schon unfreiwillig einen Tag im dreckigen und nach Abgasen stinkenden Asuncion bleiben müssen, dann gönnen wir uns wenigstens was. Eine Übernachtung im 4-Sterne-Hotel "Portal del Sol". Tolles Zimmer, zwei Pools, Frühstück mit Obst und Co., innenliegender Patio mit Liegestühlen; und dazu noch ein Abendessen mit deutschem Buffet inklusive Leberkäse und dem leckersten Kartoffelbrei aller Zeiten - ein kleiner Urlaub für insgesamt 80 Euro. Da bleiben noch genug Scheine übrig für unsere nächste Station: Salta, laut Reiseberichten eine der schönsten Städte von Argentinien. Wir kommen! 

Eure Doreen

Nachsatz: 
Ich möchte mich heute erstmals bei jemanden bedanken: 
  1.  Meinen lieben Kollegen. Ohne Euch bzw. Euer Abschiedsgeschenk, die US-Dollar, wären wir nie bis hierher gekommen. Bei einem Grenzübertritt ist es oft schwierig sofort einheimische Währung zu bekommen. Und mit US-Dollar steht Dir einfach alles offen. Danke!
  2. Meinem lieben Onkel Uwe und seiner Birgit. Dank Euch beiden haben wir den Weg zum Campingplatz gefunden. Eure tolle LED-Taschenlampe ist in meinem Rucksack mit hierher gereist und hat uns gestern auf der komplett dunklen Straße einen super Dienst erwiesen. Danke!

Samstag, 5. März 2011

Doreen im Paradies



Wer den Vogel findet, darf ihn
behalten.
Vorgestern habe ich meinen ersten Kolibri gesehen. Diese exotischen Vögel kenne ich bisher nur aus den Regenwald-Dokus auf dem Discovery-Channel. Winzig sind sie, bunt wie ein Regenbogen, schlagen die Flügel schnell wie eine Wespe, huschen hin und her wie eine Mücke. Können in der Luft "parkend" mit ihrem spitzen Schnabel aus einem Blumenkelch Nektar trinken - zack und hopp, weiter sind sie, an der nächsten Blüte. Das emsige Wesen hab ich direkt vor der Tür unseres Hostels in unserer neuen Bleibe entdeckt: Puerto Iguazu, so weit nördlich in Argentinien, wie es nur geht. Liegt im Dreiländerdeck angrenzend an Brasilien, Paraguay; da wo der Rio Iguazu in den Rio Parana mündet. Die Tatsache wird übrigens durch eine kleine Parkanlage mit Grenzstein etc. recht hübsch illustriert. Nur deshalb fahren ein paar Südamerikaner her, auch ein paar Touristen. Obwohl es außer dem Stein bloß die Flaggen der benachbarten Nationen zu sehen gibt; plus ein paar Shops mit den üblichen Schnitzereien bzw. Mitbringseln, die mancher den Daheimgebliebenen gern als Geschenk mitbringt.

Iguazu ist am gleichnamigen Rio
gelegen. Die Stadt selbst siehst aus
wie viele Kleinstädte in Argentinien,
Esquel zum Beispiel.
Daher kein extra Bild. 
Die meisten Menschen sind aber wegen des Nationalpark Iguazu hier. Sie wollen die "Cataratas" sehen: mehr Naturwunder als Wasserfälle. Iguazu ist um diese Schauspiel herum entstanden. Als eher kleines Nest, das zu geschätzten 70 Prozent aus Hostels, Hotels, Supermärkten und Restaurants besteht. Alles nur für die Reisenden. Uns zum Beispiel. Mit unserem Zimmer hier haben wir finanziell betrachtet einen Glücksgriff getan. 150 Pesos pro Nacht, rund 30 Euro. Andere hier kosten eher das Doppelte. Bieten dafür aber vermutlich etwas mehr Frühstück und Reinlichkeit, dafür weniger Wandschimmel und Ameisenstraße in der Küche; vielleicht auch keine Eidechsen, die sich beim Abendessen im Speiseraum die Wand hinunter schlängeln. Ist halt Südamerika hier, und  außerdem Regenwald. Schmutz, Tiere und knüppelharte Hitze sind also inbegriffen.  


Den Tag nach der Ankunft aus Buenos Aires haben wir für einen kleinen Spaziergang an das Dreiländer-Eck genutzt. Gestern dann waren wir im Nationalpark. Den Park stellt man sich am besten als eine Anlage von vielleicht 15 mal 15 Kilometern Größe vor, mitten im Regenwald. Die Hauptgebäude und Restaurants sind super ausgebaut, ich fühle mich fast wie in einem Achterbahnpark in Europa. Aber dazwischen ist alles naturbelassen. Es gibt eine kleine Eisenbahn und ein paar Pfade, die dich an die Wasserfälle heranführen; und ein paar Wanderwege durch den Dschungel. 

Der Weg durch den Dschungel...
Für mich wird ein Traum wahr:
baden in der Lagune, und mir
einen Wasserfall auf den
Kopf prasseln lassen. 
Einen davon probieren wir aus. Es braucht ein bisschen Überwindung, denn man hat ja schließlich viel von den vielen giftigen und/oder gefährlichen Tieren im Regenwald gehört. Im Park wird man durch Warntafeln und Handzettel immer wieder darauf hingewiesen, dass man Schlangen am besten ignoriert; dass Affen agressiv werden können; und dass Jaguare - sollte sich einer zeigen - am besten durch Winken mit den Armen zu verscheuchen sind. Wir werden von einem Parkwächter noch mit einem "das hier ist die letzte Parkstation mit Toilette, danach ist Dschungel" verabschiedet; und ziehen mit einem etwas mulmigen Gefühl in den Wald hinein. Langer Rede kurzer Sinn: zwei Stunden lang ist gar nichts passiert; wir haben ein paar Schmetterlinge gesehen, ein paar unfassbar große Termiten, und sonst sehr wenig. Aber am Ziel haben wir eine wundervoll gelegene Lagune erreicht, direkt unter einem kleinen Wasserfall gelegen. Alles in einem kleinen Felskessel, von hohen Steilwänden und dichtem Büschen und Lianen und Palmen umgeben; das Sonnenlicht in dem grünen Wasser schimmernd. Ein Bild für Götter, zumal Doreen und ich die Lagune die meiste Zeit nur für uns hatten. Wir sind durch das Wasser gewatet; in den Wasserfall geklettert; Doreen (Klick für Video) hat ein paar Schwimmzüge gemacht; danach haben wir die Eindrücke bei einem kleinen Sonnenbad auf einem Fels verarbeitet. Und sind wir weiter gezogen.

Doreen und ich, fast allein
in der Lagune... 
Stege führen an den Abgrund heran,
so dass man sehr, sehr nah an die
 Wasserfälle heran kommt. 
Die Wasserfälle sind so lieb, und lassen
ab und zu ein paar Wasserwolken
zu den Besuchern treiben.
Nämlich zu den Cataratas (klick für Karte). Die Fälle kündigen sich bereits aus der Entfernung durch lautes Rauschen an. Stege über den Rio Iguazu bringen dich sicher dorthin, da wo der Strom nach unten stürzt. Und was dort dann abgeht; wie gewaltig das aussieht, wenn sich unfassbare Wassermassen auf mehreren hundert Metern Breite in den Schlund wuchten, wo der Grund wegen des allgegenwärtigen Wassernebels oft nicht zu erahnen ist; das lässt sich in Worten schwer beschreiben. Du stehst da; nimmst die dich umgebenden Touristen kaum mehr wahr; und bist ergriffen von diesen Naturgewalt, dieser Kraft und dieser Schönheit. Erst nach und nach nimmst du Details wahr. Zum Beispiel, dass ab und zu Nebelmassen aus der Tiefe heraufsteigen; sich auf Betrachterhöhe zu einer Wolke verdicken und über die Zuschauer ergießen. Eine herrliche Erfrischung, in die sich Doreen übrigens total verknallt hat. Außerdem werden die Wassermassen des Rio Iguazu an einigen Stellen durch schmale Basaltplatten getrennt, bevor sie sich in den Abgrund stürzen. Die Cataratas, das ist also nicht ein großer, sondern das sind mehrere kleine Wasserfälle. Jeder hat seinen eigenen Namen und seine spezielle Charakteristik. Manche lassen das Wasser brachial zerstäuben, andere fein hinabfließen, weitere bestechen durch das herrlich frisch aussehende Gras, das der rohen Wasserkraft trotz und sich mittendrin am Fels verwurzelt. Wunderschön. Siehe Video.

Es gibt eine Reihe Wege zu den verschiedenen
Wasserfällen. Einer davon führt
von unten bis fast an einen Fall heran.
Du wirst nass und bist glücklich. 
An einigen Stellen wirken die Fälle
fast zahm, woanders nur roh
und brutal. So wie hier. 


Abends sind wir völlig kaputt vom langen Tag ins Bett gefallen. Dann haben uns allerdings Sambatrommeln aus der Ruhe gerissen. Iguazu mag klein sein, aber Carnaval feiern die Menschen hier trotzdem. Also sind wir gegen 1 Uhr noch mal um die Häuser gezogen und haben die hiesigen beim feiern beobachtet. Dass musst du einfach sehen, wenn Gruppen von Sambatrommlern ihre begeisternden
Rythmen abfeuern und sich im Wiegeschritt langsam vorwärts tasten; und davor und dahinter Typen und Mädels allen Alters in teils irre bunten, teils sehr textilarmen Kostümen dazu die Hüften kreisen lassen. Bei dem Festzug machen schon die Kleinsten mit, und einige davon tanzen mit einem Taktgefühl, einer Freude und einer Ausdauer, das glaubst du nicht. Rundherum versammeln sich jung und alt dazu an der Straße und genießen das Spektakel teils in Ruhe, teils wippen sie mit. Genau wie Doreen und ich. Geht übrigens alles ziemlich ohne Besäufnis ab. Die haben den Carnaval hier eben auch so im Blut.  Find ich schön.

Schönen Gruß aus Iguazu, Richard