Freitag, 17. Juni 2011

Kalifornien Über Alles

Los Angeles, kurzer Zwischenstop am
Rodeo Drive, Luxus und Leute gucken. Keine Stars gesichtet. 


Eines der vielleicht schönsten
 Rock & Roll Diner in den
USA, entdeckt in Oceano/CA. 
Fahrt über den Wolken, in den
Bergen nahe Mendocino.
In den letzten zwei Wochen ist unglaublich viel passiert. Doreen und ich, wir sind fast jeden Tag mit dem Auto unterwegs gewesen, haben im Schnitt 200 Meilen zurückgelegt - rund 300 Kilometer umgerechnet, die meisten davon auf gewundenen Landstraßen in wunderschönen Landschaften. Wir sind die Routen 1 und 101 weiter in Richtung Süden gefahren, von Oregon nach Nordkalifornien und weiter Richtung San Francisco und Los Angeles. Fast immer direkt am Pazifik entlang; auf teils menschenleeren Straßen. Aber wir sind auch in den Bergen auf Höhen von mehr als 2500 Meter geklettert. In der Abenddämmerung, während um uns herum ein paar Gipfel die weiche Wolkendecke durchstoßen. Wir waren querfeldein unterwegs und haben uns in einer afrikanischen Savanne wiedergefunden, wo zwischen mannshohen Gräsern und ausgedörten Bäumen ausgebrannte Panzer verrotten - unsere kleine Straße führt kurz mitten durch einen Truppenübungsplatz der US Armee, komplett mit Schießständen und von Beschuss geschmolzenen Felsformationen. Eine interessante Zeit, aber auch eine anstrengende. Alle drei Tage haben wir neue Ziele definiert, eine neue Unterkunft gesucht, Klamotten raus aus dem Rucksack, rein in den Rucksack. Das laugt aus.

Golden Gate Bridge, San Francisco, die
schönste Brücke der Welt? Von uns ein "Ja!"
Ich hab mich vor einigen Tagen ähnlich gefühlt, wie nach den Redaktionsschlüssen während meiner Zeit bei den Magazinen 360 Live und PS3M. Ausgebrannt. Bin leider auch oft ähnlich hektisch und kurz angebunden wie früher. Doreen leidet darunter, weil ich mich kaum noch auf sie konzentrieren kann, ihr zu selten das Gefühl von Nähe und Liebe vermitteln kann, das sie braucht. Wir reden darüber. Sie hat neulich in ihrem Blog eine schöne Umschreibung für das gefunden, was mich - und auch sie - runter bringt: "Travel Burnout". Was das Wort meint, das hab ich in San Francisco gespürt. Stell dir vor, du spazierst durch diese wunderschöne Stadt, atmest den Geruch des Hafens ein, und entdeckst viele erlebenswerte Orte: Alcatraz, Lombard Street, Chinatown, all die kleinen Cafés und Shops rund um den Fisherman´s Wharf. Eine wunderschöne, sympathische Stadt mit Flair, entspannten Menschen und kompaktem Kern, so dass du dir vieles erlaufen kannst. Trotzdem lösen all diese Begegnungen und Erfahrungen in dir nur ein Gefühl von kurzzeitigem Gefallen aus. Selbst als Doreen und ich an der Golden-Gate-Bridge parken und zwei schöne Stunden in der Obhut dieses großartigen Bauwerks verbringen, verfliegt die Begeisterung schnell. 

Lombard Street, SF: ein
beliebtes Fotomotiv.
Doreen hilft gerne...
Alcatraz, SF: willkommen
im "The Rock".
Unsere vier Tage in Los Angeles haben sich ähnlich angefühlt. Nun war ich sowieso schon ein paarmal beruflich hier und kenne die Stadt daher als unsympathischen und verdreckten Moloch mit dem weltschlechtesten Verkehrssystem. Aber selbst die paar schönen Flecken haben mich diesmal kalt gelassen: Unsere Fahrt durch Beverly Hills und Bel Air, wo sich eine unfassbare Villa an die nächste reiht. Hübsch auch unser Spaziergang durch Hollywood, vorbei am Kodak Theatre, wo sie die Oscars verleihen. Und weiter, entlang dem "Walk of Fame". Dort sind hunderte Medaillen in den Fußgängerweg eingelassen, als Ehrung von Musikern, Schauspielern, Regisseuren... und Comic-Figuren. Donald Duck hat seinen Stern redlich verdient.

Am besten hat mir meine kleine Wanderung rauf in die Hügel gefallen. Raus dem Millionenstau, dafür Blick vom "Hollywood-Sign" runter auf die Stadt. Wieder unten im Trubel, was sehe ich da? Einen Bugatti Veyron auf offener Straße, eines der seltensten und teuersten Autos überhaupt. Kostet irgendwas um eine Million Euro herum, wenn ich das richtig im Kopf habe; und bringt 1000 PS auf die Straße. Völlig irr. Ich spaziere also mit Doreen über den edlen "Rodeo Drive"; sehe neben einer Parkuhr diesen Bugatti stehen; mache kurz große Augen; aber will nur deswegen ein Foto schießen, damit ich irgendwann mal was zum Vorzeigen habe. Eigentlich sollte mich die Begegnung mit diesem Teil wirklich heiß machen. 


Während ich den Bugatti ablichte,
röhren ein Lambo und ein Ferrari
 vorbei. Rodeo Drive, LA halt.
Spätestens da war mir klar: So muss sich Travel Burnout anfühlen. Du spürst viel zu wenig Kraft in dir, dich macht nichts mehr so richtig an. In zu kurzer Zeit zu viel gesehen und erlebt. Höchste Zeit, endlich Batterien aufladen. Das brauche ich dringend nach den unruhigen Wochen in letzter Zeit. Es mag absurd wirken, aber ausgerechnet in Las Vegas fahren Doreen und ich das Tempo runter. Wir sind seit einigen Tagen hier, und wir lassen es ruhig angehen. Wir haben noch kein Casino betreten und keine Show gesehen; wir sind noch nicht zum Hooverdamm gefahren, und haben den Grand Canyon genauso vor uns wie etliche der anderen Attraktionen hier in der näheren Umgebung. Wenn´s nach mir geht, können mir all diese Sehenswürdigkeiten gestohlen bleiben. Denn ich genieße unsere Unterkunft viel zu sehr. Doreen und ich, wir haben endlich mal eine Bleibe gefunden, die unser Budget schont und die uns trotzdem rundrum glücklich macht. Das "Clarion" ist weder schimmerndes Luxushotel noch aufwändiges Megaresort, dafür immerhin ein sehr schönes, gepflegtes und ganz erstaunlich preiswertes Haus. Wir haben ein Zimmer ganz oben bekommen, im elften Stock, und blicken aus bodentiefen Panoramafenstern über die gesamte Zimmerbreite hinaus in die Berge.

Chinatown, SF: Die Menschen
sprechen dich einfach an, du
kommst leicht ins Gespräch.
Unser Zimmer im "Clarion",
mit Blick in die Berge.
Wir können unsere Siebensachen in hübschen Schränken aus echtem Holz  verstauen; und per Vorhang einen kleinen Wohn- und Essbereich vom Schlafzimmer trennen. So darf jeder ab und zu für sich sein, kann sich in Kissen aus etwas Privatsphäre fallen lassen. Ein Luxus, den wir während unserer Weltreise nur sehr selten haben. Jetzt gerade im Moment genießen wir Zeit zu zweit. Ich liege auf der Couch und tippe vor mich hin; Doreen sitzt neben mir und blättert ein bisschen im Reiseführer. Einfach schön. Das wir ausgerechnet im aufgedrehten Las Vegas einen so angenehmen ruhigen Nachmittag verbringen können, wer hätte das gedacht. Allerdings hat uns die Stadt auch bereits mächtig staunen und feiern lassen. Wie, warum, wieso? Demnächst im Blog "In Vegas steht ein Hofbräuhaus".

Sehr viel entspannter, 
Richard 

2 Kommentare:

  1. ...na endlich mal ein wenig zur Ruhe gefunden...echt?

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  2. Schade das ihr jetzt diesem Travel Bournout verfallen seid. Aber wie ich sehe kommt ihr jetzt endlich mal ein wenig zur ruhe und geniesst es auch. Tankt Kraft für die nächsten paar Monate. Schleißlich habt ihr ja noch einiges Vor.

    Liebe Grüße Jutta

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