Sonntag, 28. August 2011

Bangkok oder: kommst mit zu mir? (Teil 1 von 2)


Blick aus unserem hübschen Zimmer im Hotel
namens "Aspen Suites", raus in Richtung Bangkok-Zentrum. 
Da hocke ich also neulich in dieser Bar in Bangkok in der Sukhumvit Soi 4. Sagt der grauhaarige Typ neben mir zu dem vielleicht 19-jährigen Mädchen neben ihm: "Wanna come with me" - willst du mit mir mitkommen? Also, diesen Satz, so direkt formuliert, das hab ich ja schon lange nicht mehr gehört. Aber wenn nicht hier, wo dann? Doreen und ich, wir sind an diesem Abend mittendrin im Abschlepp-Zentrum von ganz Asien -  willkommen in Bangkok, hallo sexy Thailand! War vor der Weltreise noch nie im Fernen Osten, und ich gebe es gerne zu: Thailand betreffend hatte ich bis vor wenigen Wochen bestenfalls etwas Schubladendenken im Kopf und die dazu passenden Bilder vor Augen. Zum Beispiel von John Rambo, der im Dschungel Cobraschlangen mit der Schlinge einfängt. Oder von notgeilen Männern aus Europa, die sich in Bangkoks düsteren Gassen an blutjungen Asiatinnen vergreifen. Inzwischen weiß ich: Cobras gibt´s in Thailand wirklich, und auch das andere Bild passt. 

Auf dem Weg nach Bangkok. Nicht
zu sehen: bierdeckelgroße
Kakerlaken zwischen den Tischen.
Wir sind vor einigen Tagen in Bangkok angekommen. Die Nachtfahrt per Bus von Ko Lanta in die Knapp-acht-Millionen-Menschen-Metropole kann ich bestenfalls als abenteuerlich bezeichnen. Aus ein bis zwei Reisebeschreibungen hatte ich vorher herausgelesen, dass es in Thailand halbwegs seriöse Unternehmen gäbe, die einen mit komfortabel ausgestatteten Bussen von A nach B transportieren. Nun lässt sich sowas in Südamerika ja tatsächlich finden, davon habe ich mich inzwischen selbst überzeugen können - da sollte doch dasselbe in Thailand möglich sein…? Okay, vielleicht hätte ich mir unsere Tickets nicht bereits einige Tage vor Reiseantritt von einem schlecht rasierten Kerl andrehen lassen sollen, der uns in einer abgewrackten Bruchbude was von "VIP Standard" und so erzählt. Andererseits, so sehen im Süden von Thailand Bushaltestellen und Bushaltetypen überall aus.
Bangkok von oben.
Sei´s drum, jedenfalls kriegen wir was geboten. Man wirft uns dreimal an irgendwelchen Umsteige-Stationen wortlos aus hoffnungslos überladenen Minivans hinaus; schaufelt uns zu einem Sammelpunkt voll verwirrt guckender Touristen; und packt uns irgendwann alle zusammen in einen Deutz-Bus, dessen frischer weißer Lack offenbar das wahre Alter des Vehikels kaschieren soll. Die Verankerung der Sitzschalen am Boden mit daumendicken Eisenstangen und handtellergroßen Sechskant-Muttern, alles begraben unter einer dicken Schicht aus mausgrauer Rostschutzfarbe; das alles erinnert mich jedenfalls an die Zweite-Weltkriegs-Technik des U-Boot "Clamagore", das ich vor einiger Zeit im "Patriots Point"-Marinemuseum nahe Charleston / South Carolina inspizieren durfte. 

Der kleine Unterschied: Europäer
kaufen sich Bräunungscremes,
Asiaten Hautbleiche.
Wundersamerweise endet die 800-Kilometer-Nachtfahrt vom Süden Thailands in die Landesmitte aber weder im Graben noch in der Werkstatt, sondern tatsächlich am geplanten Ziel. Fast. Gegen fünf Uhr morgens sehe ich den großen Süd-Busbahnhof von Bangkok rechts an uns vorüberziehen. Stattdessen bittet uns unser Busfahrer einige Kilometer weiter ohne Worte, dafür mit großer Gestik an irgendeiner Ausfallstraße ins Freie. Aber zumindest sind wir ungefähr dort angekommen, wo wir hinwollten. Keineswegs selbstverständlich in Thailand. Ist es Zufall, dass zu dieser frühen Zeit, in dieser menschenleeren Straße zwei Dutzend Taxis auf uns warten? So eine Bande. Wir haben immerhin Glück und erwischen einen gut gelaunten Fahrer, der Preisverhandlungen zugeneigt ist. Klar, wo doch alle anderen Passagiere bereits weg, und keine anderen Opfer mehr in Sicht sind. Der Taxifahrer verdient offenbar immer noch gut genug an uns, unterhält uns mit seinen Taxi-Anekdoten, und bringt uns flott ins Zentrum von Bangkok. Unsere Bleibe namens "Aspen Suites" hat sich in einer kleinen Gasse namens Sukhumvit Soi 2 eingenistet. Soi 2 steht für die Seitenstraße Nummer Zwei, abzweigend aus einer von Bangkoks Verkehrs-Schlagadern, eben der Thanon Sukhumvit oder Sukhumvit Road. 

Mitten im Berufsverkehr an einem
Sukhumvit-Knotenpunkt: Thais
machen am Erawan-Schrein Halt
für ein kurzes Stoßgebet in Richtung Buddha.
Auf der Sukhumvit stauen sich jeden Tag von morgens bis nachts Taxis, Busse, Pkws und natürlich Bangkoks Tuktuks - mit mal mehr und mal weniger Chrom und Farbe hergerichtete Dreirad-Moped-Töfftöffs, die ihre Passagiere auf offenen Bänken durch die Gassen schleudern. Asiatisches Flair ist in dieser Gegend dick und reichlich inbegriffen, und üble Abzocke ebenfalls. Wir sind kaum da und hören schon Geschichten, wo Touristen von Taxifahrern ungefragt an einem Sexshop-Zwischenstopp abgeladen wurden; und danach an einem Ziel, das sie niemals ansteuern wollten. Ich kann kaum an einer Hand abzählen, wie oft Doreen und ich in den letzten Tagen auf belebter Straße von wildfremden - oft erstaunlich seriös und hilfsbereit aussehenden - Menschen angebaggert worden sind. Immer dieselben Lügen und Angebote. Irgendwas von angeblichen Feiertagen ab morgen; dass wir deshalb den Tempel XY und die Rundfahrt XZ am besten jetzt gleich erledigen; und ja, zufälligerweise hat er superbillige Fahrkarten und Eintritts-Tickets in der Hosentasche; drum jetzt zugreifen, später geht´s nicht mehr! Leider haben all die Angebote nur ein Ziel: uns irgendwelche Ausflüge oder Reisetickets zu völlig überteuerten Tarifen andrehen. Bangkok und Betrügereien, das gehört offenbar zusammen wie Thailand und Reisfelder. "Mai pen rai", sagen die Thais zu sowas - nimm´s wie´s kommt, und mach das Beste draus.
Doreen, ich und das Tuktuk.



Doreen und ich, wir nutzen unsere Tage in Bangkok für allerlei Alltäglichkeiten und Aktivitäten. Ich besuche das allererste Mal während unserer Weltreise einen Arzt. Leide seit drei Wochen an Taubheit auf dem linken Ohr, die einfach nicht weichen mag und langsam ernsthaft stört. Wir erspähen ein Schild mit der Beschriftung "Sirichai Clinic" in einer nahen Seitenstraße; betreten mutig den Eingang darunter; und ich tue gut daran, sofort alle Bilder einer "klinisch reinen Klinik" aus meinem Gedächtnis zu streichen. Wir finden uns in einem Raum wieder, in dem sich alte Medikamenten-Verpackungen, vergilbte Zeitschriften-Stapel und luftig-leicht ausschauende Staubbällchen vermengen. 
Meine erste Patientenkarte
in Thai-Schrift.
Eine aufmerksame Empfangsdame legt mir ein Blatt Papier hin, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen ausfülle - die genaue Bedeutung und Funktion der 44 Konsonanten, 32 Vokale, der dazugehörigen Zeichen in Thaischrift und Aussprache in fünf wechselnden Tonhöhen werden mir wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Wurscht, denn der Arzt spricht halbwegs englisch, eine in Bangkok erstaunlich wenig verbreitete Gabe. Er bittet mich auf eine Liege, die ich lieber nicht zu genau betrachte. Das Häkeldeckchen auf dem Kopfteil hat vermutlich noch nie die Segnungen einer Reinigung erfahren. Wo sind Louis Pasteur und Robert Koch, wenn man sie braucht? Aber ist es nicht das Ergebnis, das am Ende und so weiter? Das passt. Eine Woche, zwei Ohrspülungen, drei Fläschen mit Ohrtropfen und 40 Pillen voller Antibiotika später höre ich wie neugeboren. Warum das in Bangkok Leben retten kann? Und weshalb es Doreen und mich ins Sexviertel verschlagen hat? Antworten demnächst im Blog "Kommst mit zu mir? Teil Zwei!". 

Gruß auch von Bangkoks Fanta Vier, 
Richard 


Sonntag, 21. August 2011

Verloren in der Dunkelheit

Rund um Ko Lanta bildet der Kalkstein
zahlreiche Inseln mit sehr exotischem Profil.  

Bin froh, dass ich heute diese Zeilen schreiben kann. Hätte auch anders ausgehen können, unser Besuch in der "Emerald Cave" - einer größtenteils unter Wasser stehenden Grotte auf Ko Mook, der Insel Mook, mitten in der Andaman-See. Die Klippen des Eilands ragen steil aus den Wogen, das Profil ist geprägt durch zerklüftete Kanten aus dunklem Kalkstein. Mitten im schroffen Fels ist auf Meereshöhe ein schwarzes Loch zu erkennen: die Höhle, die Emerald Cave. Wenn du dich hinein wagst,  umfängt dich auch bei mittäglichem Sonnenschein sehr bald völlige Dunkelheit. Die Grotte steht halb unter Wasser, so dass du dich nur schwimmend durch die Finsternis bewegen kannst. Du siehst nichts, rein gar nichts, nicht einmal die buchstäblichen Hände vor deinen Augen. Erst recht nicht die Höhlendecke, oder den Wasserspiegel. Du hörst dafür umso mehr. Dumpfes Stampfen und ein lautes "Wuuuusch" immer, wenn die Andaman-See von draußen ein paar Kubikmeter zuviel Wasser in die Höhle drückt. Ein Teil Nass verdampft dann in einer Nebenkammer unter lautem Getöse. 

Aufbruch zur Höhle. Da war die
Stimmung noch gut... 
In diese schwarze Höhle sind Doreen und ich also geschwommen, als Teil einer geführten Tour. Vorneweg der Bootsjunge der kleinen Nussschale, die uns hierher gebracht hat. Der Junge hat als einziger eine Taschenlampe dabei. Er schwimmt vornweg, soll den Weg ausleuchten. Aber plötzlich sind alle weg. Niemand mehr zu sehen. Kein anderer Teilnehmer aus unserer Gruppe, ebenso wenig der Bootsjunge. Doreen und ich, wir sind allein in der Finsternis, sehen nur noch Schwarz um ums herum. Der Bootsjunge war mir schon vorher als Trantüte aufgefallen. Mir ist klar, dass so bald niemand zurück kehren würde, wenn überhaupt. Die ganze Tour, von vorne bis hinten mies organisiert. Uns hier ohne Taschenlampen reinschicken, oder zumindest ohne sichernden Mann hinter der Gruppe - unfassbar. Egal jetzt. Doreen und ich, wir müssen den Weg aus der Höhle selbst finden. Mit einem Arm schwimme ich, mit dem anderen taste ich mich durch das Schwarz, versuche die Struktur der Höhle zu erfassen. Die Höhle soll insgesamt rund 95 Meter lang sein. Also kann der stockdunkle Teil der Höhle nicht allzu umfassend sein. Davor und dahinter müssten Lichtschimmer den Weg zu den Eingängen weisen, 

Unser Boot namens "Kantiang 2",
vor Ko Ngai liegend.

Jetzt nur die Ruhe bewahren. Ich bitte Doreen, dass sie an Ort und Stelle bleibt, damit ich mir ihre Position merken kann und wir einander nicht auch noch verlieren. Ganz sachte schwimmen, Zentimeter für Zentimeter, mit den Fingern den Stein ertasten, in der Hoffnung, dass sich eine der vielen Ausbuchtungen im Gestein zum einem schwimmbaren Durchgang verbreitert. Wie scharfkantig die Strukturen aus Kalkstein, Scharten und Muschelschalen wirklich sind, das sollte ich erst am nächsten Tag anhand der vielen Schnitte in fast allen Fingern erkennen. Aber die Methode funktioniert. Nach einiger Zeit glaube ich eine Veränderung in der Dunkelheit erkennen zu können; Licht von draußen? Ich schwimme einen Meter weiter. Die Helligkeit nimmt zu. Und tatsächlich kommt der Ausgang in Sicht. Ich rufe meine tapfere Doreen, die während der ganzen Zeit unfassbar ruhig geblieben ist - in einer Situation, wo so mancher sicher in Panik geraten wäre. Wir sind draußen und rudern hinaus zum Boot, das uns in diese Situation gebracht hat.  Begonnen hat alles ein paar Tage vorher. 

Unsere Hütte auf
Ko Lanta. Nicht zu
sehen: die Mega-
Baustelle für zehn
weitere Hütten. 
Foto vom Freitagmarkt.
Thai sind religiös. Die meisten ehren
Buddha, auf Ko Lanta leben aber
mehr Moslems. Die Insel gilt als
Musterbeispiel für das Zusammenleben
verschiedengläubiger Menschen.
Wir sind vor einiger Zeit umgezogen. Sind Von Khao Lak aus mit dem Minibus weiter nach Süden gefahren, in Richtung der Stadt Krabi, von dort weiter auf die Insel Ko Lanta. Sie wurde uns als wunderschön und sehr ruhig angepriesen, empfängt uns aber zunächst mit Aufregungen. Der Fahrer unseres Minibus bringt uns brav vom Festland auf die Insel, weigert sich danach aber, Doreen und mich und die anderen Passagiere zu ihren Hotels zu bringen. Er spricht kein englisch, kann nur Thai lesen und die Namen der Unterkünfte auf den Buchungs-Bestätigungen nicht entziffern. Das schließe ich jedenfalls aus seiner Gestik und Mimik. Dass wir doch bitte Taxis bemühen möchten, für diesen Satz reichen seine Sprachkenntnisse immerhin aus. Gerade als der Streit mit einem jähzornigen Franzosen zu eskalieren droht, kommt von der Straße ein Hiesiger herbei geeilt. Er stellt sich als Übersetzer und Lotse zur Verfügung; aber nicht ohne uns diverse Hotels auf´s Auge drücken zu wollen, auf deren Provisionsliste er wohl steht. Ich hasse solche Drücker-Maschen. Trotzdem ruhig und sachlich bleiben, so habe ich es aus dem Lonely-Planet-Reiseführer und Gesprächen mit Asiaten bereits gelernt. Funktioniert. Tatsächlich erreichen wir unsere Bleibe: das "Long Beach Chalet", eine Ansammlung von preiswerten Bungalows in Nähe des Strandes. Blöderweise ist die Baustelle zur Erweiterung des Anwesens noch viel näher. Deshalb weiß ich jetzt auch, dass Thais fleißige Menschen sind. Sie nehmen ihre Bagger, Hämmer und Trennschleifer um acht Uhr morgens in Betrieb, und geben sie erst gegen 21 Uhr abends wieder aus der Hand. Was nebenbei erklärt, warum wir unsere Bleibe für nur 20 Euro inklusive Frühstück bekommen haben.

Der olle Honda-Roller aus dem Fließtext
wurde für  das Bild durch ein
modernes Exemplar ersetzt. Er wollte
mit all dem Rost nicht fotografiert werden.
Der Süden von Ko Lanta. Wunderschön. 
Doreen und ich, wir versuchen dem Lärm zu entfliehen, wann immer wir können. Am zweiten Tag auf Ko Lanta leihen wir uns für vier Euro / Tag einen uralten Honda-Motorroller mit leerer Batterie und hakliger Schaltung, aber enorm viel Charme. Zu zweit eiern wir die Landstraße Richtung Süden, da wo im Nationalpark völlig einsame Strände zu finden sein sollen. Wir trinken auf dem Weg einen leckeren Kaffee, betrachten das Leben in den kleinen Dörfern; und haben eine unheimlich Begegnung mit einer Waran-Echse. Erzeugt schon einen kleinen Blutstau, wenn sich direkt vor dir so eine Ein-Meter-Fuffzich-Reptil über die Straße schiebt. Den Strand haben wir dennoch gefunden. Leider etwas dreckig, und ohne schattenspendenden Bewuchs zum Entspannen nur bedingt geeignet. Dafür aber herrlicher Sand. Und Mitte August, in der Nebensaison völlig einsam. Kein Mensch weit und breit. Splitternackt in die Brandung springen und sich von Drei-Meter-Wellen von den Füßen reißen lassen, das ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Meine Wenigkeit im Kampf mit
den Urgewalten des
Meeres. Poseidon siegt, natürlich. 
Dass wir am Tag danach in der "Emerald Cave" verloren gehen würde, davon ist frühmorgens noch nichts zu ahnen. Eigentlich spüre ich beim Morgenkaffee nur die Vorfreude auf unseren kleinen Ausflug: Die "4 Islands"-Tour soll uns per Longtail-Boot mit vier vorgelagerten Inseln zusammen bringen. Ein bisschen schippern, schwimmen, schnorcheln - was kann da schief gehen? Die "Emerald Cave" soll die Hauptattraktion des Ausflugs bilden. Vom Meer her kommend würden wir ungefähr 100 Meter durch eine unter Wasser stehende Höhle schwimmen, am anderen Ende ein grell schimmerndes Tor aus Tageslicht entdecken - und dahinter einen kleinen Sandstrand mit einer ebenso einmaligen wie einsamen Lagune. Sie soll Piraten früher als Lagerstätte für ihre Schätze gedient haben. Die Lagune ist völlig von der Umwelt abgeschottet. Sie liegt in einem Talkessel und ist rundherum durch über 50 Meter hohe Klippen aus Kalkstein eingezäunt. Man kommt nur durch die Höhle rein. Und auch das nur bei Ebbe. Klar, dass sowas den Abenteurer in mir weckt. 

Schnorcheln vor Ko Chuek. Noch sind
die Korallen recht intakt. Ich geb´
ihnen zwei bis drei Jahre...
Kann ja bei der Buchung nicht ahnen, dass die Sache gefährlich werden würde, weil uns der Veranstalter "Kantiang Tour" der Obhut burmesischer Nepper überlassen würde. Hatte schon bei der Abholung ein schlechtes Gefühl. Wenn du zusammen mit anderen Tour-Teilnehmern auf die offene Ladefläche eines Isuzu-Pickup gepfercht wirst, ohne ein Wort der Erklärung oder wie lange die Fahrt dauert, dann ahne ich Übles. Doreen liest mir meine Vorahnung am Gesicht ab, sagt, ich solle nicht so grimmig gucken. Wir hüpfen über Stock und Stein; und erreichen nach rund 30 Minuten ein Pier; niemand sagt was; na gut, steigen wir halt mal ab. Irgendwann werden wir zusammen mit knapp 20 anderen Menschen auf das Longtail-Boot "Kantiang 2"  gescheucht. Eine Nussschale, die sonst wohl eher fünf bis acht Leute tragen soll. Dass sich beim ablegen ein Tau in der Schiffschraube verfängt und danach der Motor erstmal nicht wieder starten mag, verfestigt meinen Eindruck: in was für eine Bauernfängerei bin ich geraten? 

Zwischenlandung auf Ko Ngai.
 Links Thailands
ganze Schönheit; der Strand ist
aber auch sehr hübsch. 
Im selben Stil geht es weiter. Der Tourguide aus dem Veranstalter-Prospekt bleibt ein Phantom, es gibt ihn nicht. Der Kapitän und sein Bootsjunge? Sprechen weder englisch noch deutsch; und verraten mit keinem Wort, an welchen Insel wir gerade vorbeigleiten. Dass die beiden sprachbegabt sind, merke ich vor allem dann, wenn sie uns bei Schnorchelstops zum schnellen Aufbruch mahnen. Dass Doreen die schimmligen Mundstücke der Schnorchel gar nicht erst anlegen mag, kann ich gut verstehen - ich betrachte die farbenprächtigen Fische in den Korallenriffen vor Ko Chuek und Ko Mah auch lieber durch meine eigene Schwimmbrille. Dass es den Schiffsverantwortlichen aber sogar egal ist, dass sie zwei Menschen in einer Unterwasser-Höhle auf einer unbewohnten Insel zurücklassen? Die anderen Passagiere erzählen später, dass der Kapitän bereits den Anker hat lichten lassen, ohne uns an Bord. Wir erfahren, dass der Bootsführer zwar die Zahl der Ruder an Bord überprüft habe; aber die Zahl der Passagiere hat ihn offenbar weniger interessiert. Erst nach Eingreifen Mitfahrender hat der Mann die Fahrt gestoppt und seinen Schiffsjungen angewiesen, uns entgegen zu schwimmen. Doreen und ich, wir wären sonst gestrandet auf einem Stück Fels mitten in der Andaman-See. 

Sonnenuntergang vor´m Strand vor
unserer Hütte. Nur mal so, weil ich
solche Bilder halt mag.
Die ganze Situation habe ich zwar als bedrohlich, aber nie wirklich als gefährlich wahrgenommen. Doreen und ich, wir haben Ruhe bewahrt, das war entscheidend. Schlimmstenfalls hätten wir in der Lagune übernachtet. Mir gibt im Nachhinein zu denken, wie plötzlich diese so kontrolliert erscheinende Situation außer Kontrolle geraten konnte. Zugleich bin ich glücklich, wie gut wir die Herausforderung gemeistert haben. Vielleicht eine wichtige Lektion für einen planerisch veranlagten Menschen wie mich, der allzu gerne für alle Eventualitäten gerüstet sein möchte - es letztlich aber nie sein kann. 

Ganz kleines bisschen nachdenklich, 
Richard 











Donnerstag, 18. August 2011

Kochkurs und Paartherapie

Per Motorroller erkunden wir die Gegend, und finden
einen Traumstrand: "White Sand Beach", eine
zumindest während der Nebensaison menschenleere Oase. 
Doreen und ich, wir nutzen unsere Zeit in Thailand keineswegs nur für Höhlen-Besichtigungen und Bambushütten-Besuche, auch wenn das in den letzten Blogeinträgen vielleicht so rausgekommen sein mag. Den Großteil unserer Tage verbringen wir mit weit weniger spektakulären Alltäglichkeiten: Einkaufen. Wäsche waschen. Oder Beziehungs-Therapie. Denn all die Schönheit der Natur um uns herum ändert leider nichts daran, dass wir uns in diesen Wochen häufig weniger nahe fühlen, als das bereits der Fall war. Ich merke, dass ich Doreen bei Gesprächen oft nicht mehr in die Augen schaue; und dass mich ihre Kontaktversuche aus der Konzentration auf anderes reißen, und dass ich das häufiger als früher störend empfinde. Das ständige Beisammensein fordert wieder mal seinen Tribut, scheint es. In den letzten Monaten habe ich allerdings gelernt, wie ich solche Gefühle erkennen kann. Manchmal gelingt es mir inzwischen sogar, mein Innerstes zu erkennen und mit Worten zu beschreiben.

Wenn die Sonne über Thailand
aufgeht, könnte sie nicht
schöner strahlen...
Doreen war da  schon immer weiter als ich, sie spricht viel öfter als ich über ihr Seelenleben. Wir beschließen, dass wir einander jeden Abend regelmäßig aus unserem Buch "Die Wahrheit beginnt zu zweit" vorlesen. Das Buch schildert den Umgang mit Worten zwischen zwei Lebenspartnern; wie sie einander ihre Gefühle schildern und so miteinander statt nebeneinander leben lernen. Außerdem bastelt Doreen kleine Aufstell-Schildchen. Wenn Doreen das ihre oder ich das meine aufstelle, dann signalisieren wir einander, dass wir jetzt gerne ungestört wären - ohne uns erklären oder rechtfertigen zu müssen. Wir wollen uns auf diese Weise stärker darauf besinnen, dass jeder von uns seinen eigenen Freiraum braucht. Den zu erhalten oft schwierig ist, wenn man ein Jahr lang ein Hotelzimmer teilt und sich mangels Job auch nicht im Büro aus dem Weg geht. Ich finde die Schildchenidee super. Denn auch wenn ich das Schild selten nutze, so ist es doch beruhigend zu wissen, dass ich es könnte. Doreen, danke Dir für diese schöne Idee! 

Und wie sie es kann: kochen. Doreens erstes
 Thai-Gericht namens "Pad Thai". Wolle
sehe bewegte Bilder
aus dem Kochkurs? Klick für Video!
Ansonsten, wie geschrieben, sind unsere Tage von den kleinen und großen Alltäglichkeiten geprägt. Bei einer Weltreise kann das schonmal ein Besuch am Strand sein, quasi als Schwimmbad-Ersatz. Da wir den Strand nunmal vor dem Haus haben, genießen wir ein paar gemeinsame Stunden im Liegestuhl direkt am Meer; ich wage mich in die teils zwei bis drei Meter hohen Wellen hinein; und lerne dabei, wie gefährlich zu weites Hinausschwimmen sein kann - weil nämlich das Zurückschwimmen aufgrund des starken Rücksog der Andaman-See mindestens doppelt soviel Kraft beansprucht wie gedacht. Begeistert von der thailändischen Küche, motiviert mich Doreen zu einem gemeinsam Thai-Kochkurs. Ausgerechnet mich, dessen bisheriges Kulinar-Können sich auf Spiegeleier, Hawaiitoast, Nudeln und Steak beschränkt. Aber es funktioniert. Gemeinsam mit drei hübschen, um Rat und Tat bemühten Damen aus dem Hotel decken wir uns auf dem lokalen Markt mit rotem Curry und Fischsoße und Eggplants und ein paar anderen, für hiesiges Essen unabdingbaren Zutaten ein. Nebenbei lerne ich ein paar hiesige Snacks kennen: Gesalzenen Fisch und fritierte Hühnerfüße, beides weder allzu spektakulär noch allzu geeignet, meine bisherigen Essensgewohnheiten zu ändern. Meine Frage nach Schlangenblut und Cobraleber wird abschlägig beschieden - derlei exotisches würde ich eher in Thailands Hauptstadt Bangkok probieren können. Was ich außerdem lerne: Thailänder handeln gerne. Fast alle Preise sind erstmal viel zu hoch angesetzt. Wer wirklich günstig kaufen möchte, schickt am besten einen Thailänder vor. Der kriegt den Preis ohne Zuschlag für "Farangs", sprich Zugroaste. Auf dem Markt kriegen Thais einen gedünsteten Maiskolben für 13 Baht, Touris zahlen 20. Ganz normal.  

Da staunt sogar der Karpfen:
Magenprobleme hatten wir
bisher in Asien überhaupt keine.   
Doreen, ich (hinter der
Kamera) und unser Roller
auf der Fähre zur Insel
Koh Khao.
Siehe auch Video.
Klar ärgere ich mich manchmal über sowas. Aber nur kurz. Denn eigentlich sind es genau diese kleinen Unterschiede, die ein Land kennenlernenswert machen. Vieles hier hier im Süden von Thailand erinnert mich an Südamerika. Oberflächlich betrachtet macht vieles einen ordentlichen Eindruck, aber wenn man mal um die Ecke schielt, liegt Müll in den Gebüschen; Häuser verrotten; Straßen verkommen. Wenn man die schicke Hauptstraße verlässt und ein bisschen über´s Land tourt, wird spürbar, dass das hier eigentlich eher noch Dritte Welt als Industrienation ist. Zumindest auf dem Land sehe ich viele Menschen, die sehr, sehr arm sind. Sie leben in heruntergekommen Hütten, tragen abgerissene Klamotten am Leib. Die Kinder spielen im Abwasser-Kanal. Auf einer Baustelle beobachte ich eine Zeit lang ein Mädchen von vielleicht drei Jahren, das nackt zwischen Betonpfeilern, Holzresten und Sperrmüll herum spielt - offenbar die kleine Tochter eines Bauarbeiters, der sich hier ein paar Baht erarbeitet. Die Menschen scheinen ihre Armut nicht als Last zu verstehen, vielmehr als sei sie eben Teil des ihnen vom Schicksal zugedachten Lebens. Das andere Glückliche - vor allem die von den Thais hochverehrte Königsfamilie - mehr besitzen, scheint kaum Neidgefühle aus zu lösen. Offenbar sind die Lebensziele andere, als die bei uns in Deutschland propagierten. Man legt mehr Wert auf Familie und Zusammensein, stellt Geld, Arbeit und Karriere hintenan. Thais trennen Beruf und Zusammenleben nicht so strikt wie wir im Westen, sondern verbinden all das auf eine recht ungezwungene Art und Weise. Wenn´s mal später wird, kommen Frau und Kind halt ins Geschäft. Und wenn dabei im Monat 15.000 Baht, rund 340 Euro an Einkommen rüberkommen, dann sei  für ein Paar ausreichend, erzählt mir eine Hiesige.  

Ein Einsiedlerkrebs. Sucht sich
ausgemusterte Muschelschalen, kriecht
hinein, krabbelt über den Strand
und sieht lustig dabei aus. Was
gibt´s daran nicht zu lieben?
Allzu viele Wander-
wege gibt´s in Südthailand
nicht. Aber die wenigen
sind sehr schön. 
Hab letztens in einer Bar mit einem Kerl namens Joe über die Thais geplaudert. Joe ist ein Missionar aus Sacramento / USA. Typ alter Herr, praktisch, rege, aktiv, begeistert, alles andere als eine Prediger-Trantüte. Er ist vor sechs Jahren nach dem Tsunami als Aufbauhelfer nach Thailand gekommen, hat drei Jahre in Khao Lak gelebt und verbringt jetzt immer noch drei Monate im Jahr in der Gegend. Er hat mir vieles über die Unterschiede zwischen asiatischen und westlichen Gesellschaften erzählt; und warum einen gerade die kleinen Unterschiede immer wieder zur Raserei bringen können. Joe war zum Beispiel mal mit ein paar jungen Thailänderinnen beim Essen, und wollte ihnen beim hinausgehen die Tür aufhalten. Die Damen haben gezögert, ihn stirnrunzelnd angeschaut und dann ausgelacht. Er hat seinen Groll hinunter geschluckt, und erst viel später nachgefragt, was den schief gelaufen sei. Die Antwort: Benimmregeln sind in Thailand gar nicht so anders als im Westen, bloß finden sie im alltäglichen Leben mehr Beachtung und werden teils anders angewandt. Zum Beispiel dürfen ältere Menschen niemals Jüngeren die Tür aufhalten. Deshalb hat Joe komische Blicke geerntet für etwas, was er für sehr galant hielt, die Thais aber eher für sehr merkwürdig. Übrigens hat mir Joe auch gesteckt, weshalb kein Thai je auf eine am Boden liegende Geldmünze trampeln würde. Wer´s weiß - Antworten bitte im Kommentar.

Dann mal bis zum nächsten Blog. Thema: wie wir uns in der Kristallhöhle verschwammen.
Richard 

Sonntag, 14. August 2011

Unser Haus im See

Als Kulisse für den Cheow-Lan-Stausee stellen
 sich hoch aufragende Kalkstein-Felsen
und dichte Regenwald-
Vegetation zur Verfügung.

Wäre ich ein Bösewicht aus einem James-Bond-Streifen, ich würde mein Hauptquartier woanders bauen als Scaramanga aus dem 007-Movie "Der Mann mit dem goldenen Colt". Wo genau Scaramanga und 007 zum goldenen Duell aufeinander getroffen sind, das erfährt unweigerlich jeder, der den Süden von Thailand bereist. Im touristisch erschlossenen Gebiet zwischen Phuket und Khao Lak stolpert der Blick ständig über das Schlagwort "James-Bond-Felsen". Dabei handelt es sich um einen Kalkstein-Phalus in der Bucht von Phang Gna, siehe Foto im letzten Blog. Er trägt seinen Namen, weil mit ihm als Blickfang - richtig geraten - Teile des "Goldenen Colt" gedreht wurden. Von den hiesigen Reise-Agenturen allzu gerne vermarktet wird das Steingut vermutlich wegen problemloser Erreichbarkeit und einer nicht wegzudiskutierenden Fotogenität. Bloß, wäre ich Scaramanga, Blofeld, Drax oder Goldfinger, ich würde mein Drahtzieher-Domizil eher im Nationalpark Khao Sok errichten. Das Gebiet liegt rund zwei Autostunden von Khao Lak entfernt. Hauptattraktion in dem rund 740 Quadrat-Kilometer umfassenden Regenwald-Areal ist ausgerechnet ein künstlicher See, der 1986 durch den Bau des Ratchaprapa-Damm entstandene Cheow-Lan-Stausee. 

Es gibt sieben schwimmende
Dörfer im Stausee.
Das hier ist unseres.
Der See mag meinetwegen wider die Natur sein, schlägt in Sachen Schönheit aber selbst die Phang-Gna-Bucht. Stell dir einen Bergsee vor, eingerahmt von skurrilen Kalkstein-Formationen; herrlich grünen Dschungeln; hunderten kleinen Fjorden und Buchten. Mitten im See halten etliche winzige Inseln ihr Köpfchen nur ganz knapp über dem Wasser. Aus der Zeit vor der Flutung flüstern einige kahl und blass aus dem Wasser ragende Holzartefakte, die einst stolze Laubbäume gewesen sein mögen. In diesem Gebiet also dürfen wir zwei großartige und erlebnisreiche Tage verbringen, gut organisiert vom Team von Discovery Khao Lak Land. Ein Longtail-Boot bringt uns zu einem auf dem Wasser treibenden Steg, der mit rund zwei Dutzend schwimmenden Bambushütten vertäut ist. Nichts davon liegt auf Grund. Die komplette Konstruktion ist schwimmend ausgelegt und hält nur deshalb ihre Position, weil sie über Taue und Stege mit zwei kleinen Inseln links und rechts verankert wird. 

Unser Haus ganz links im See.
Wir bekommen die Bambushütte ganz am Rand. Ein ganz einfaches Hütterl, mit Bambusrohren als Schwimmkörpern und tragenden Elementen, dazwischen ein paar Wände aus geflochtenen Bambusblättern. Dazu eine Tür, ein Fenster, Strom nur von 18 bis 23 Uhr; das reicht zum Glücklichsein, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum. Doreen und ich, wir hüpfen direkt von der Tür ins Wasser; aalen uns in der Sonne, und schwimmen raus zu einem treibenden Baumstamm, der außerdem einem halben Dutzend holländischer Kinder als Spielplatz dient. Sonst ist niemand zu sehen weit und breit.
Toller Kajakausflug. Immer nahe
am Ufer entlang, dann gibt´s
auch was zu sehen.
Von hier aus erkunden wir per Longtail-Boot die Gegend und brechen zu einer spannenden Safari im Tourenkajak auf. Doreen und ich gemeinsam im Zweier, unser thailändischer Reiseführer Charin im Einer. Er zeigt uns den Weg durch´s Schilf, will uns die Flora und Fauna näher bringen. Turnende Affen kriegen wir zwar keine zu sehen, aber dafür hoch fliegende Adler, im Wasser treibende Schnecken und viel herrliches grünes Dickicht. Am meisten beeindruckt mich die Ruhe. Manchmal lassen wir uns einfach treiben und lauschen der Stille oder den Geräuschen des Urwalds. Keine Musik, keine Motoren, kein Gequatsche. Nur ab und zu ein summen, sirren, zirpen, heulen, rufen aus dem Urwald.

Thais stellen gerne mehrere Gerichte
auf den Tisch. Die teilen sich dann
alle Anwesenden. Gute Idee. 
Herrlich, so eine Kajaksafari, vor allem nachdem Doreen und ich uns auf abwechselndes Rudern verständigt hatten. Einer bemüht sich per Doppelpaddel um Vorwärts-, Rückwärts- und Dreh-Bewegung, der andere darf gucken. Ich mag ja beides, auch das paddeln. Hat mich angemacht, als ich den Dreh raus hatte und richtig Tempo machen konnte. Außerdem mag ich die Strudel, die das Paddelblatt beim kräftigen Durchziehen im Wasser verursacht. Nenn mich kindsch, aber so bin ich halt. Nun sind Doreen und ich Anfänger, was die Padelei betrifft. Ist eine anstrengende Sache. Deshalb ist die Erleichterung groß, als wir nach drei Stunden Ruderei wieder zurück zur unserem Hütterl finden. 

Charin zeigt, wie man Feuer in
einem Baum legt und dadurch
Öl gewinnt...
Khao Sok ist von Urwald
durchdrungen. Doreen, Charin
 und ich wandern. Siehe Video.
Schwüle, Wellen und etwas Unwohlsein ob der zweifelhaften Matratzen-Hygiene bewirken freilich einen unruhigen Schlaf. So kommt´s, dass ich gegen vier Uhr die Hütte verlasse und einen Sternenhimmel bestaune - ein Himmelszelt von einer Klarheit, wie ich sie in Deutschland noch nie erlebt habe. Am nächsten Morgen brechen wir gemeinsam mit Charin zu einer kleinen Wanderung auf. Sie führt uns durch den Regenwald nach rund einer Stunde zu einem versteckt liegenden See. Der heißt "500 rai", nach einem thailändischen Flächenmaß. Hier stoßen wir auf ein weiteres schwimmendes Dorf der Parkwächter; steigen auf ein Bambusfloß um; und erreichen eine erst kürzlich entdeckte Tropfsteinhöhle. Faszinierend daran finde ich allein schon die Tatsache, dass die Steinkammer so unerschlossen ist. Keine aus Beton gegossenen Treppen; keine Stromleitungen; keine Sicherheits-Maßnahmen. 

Die Tropfstein-Höhle am
500-Rai-See steckt voller
faszinierender Kalzit-Formationen.
Stattdessen haben wir nur einen Akku und eine daran angeklemmte Neonfunzel dabei, um die Dunkelheit zu vertreiben und einen Weg über den glitschigen Boden zu finden. Im schmalen Lichtkegel wirkt all das umso geheimnisvoller, was wir zu sehen bekommen. Wasser, Kalzit und Zeit haben über die Jahrmillionen eine unfassbare Vielfalt von Farben und Formen hervorgebracht. Stalaktiten, die sich wie riesige Röhren und Kegel aus der Decke stülpen und dem Boden entgegen streben; die an einigen Stellen verwachsen und dabei einen Vorhang bilden, in Wellen den Raum ausfüllen. Stalagmiten, die wie ein Riesenpilz auf dem Boden wachsen und dabei im Detail Strukturen bilden, die wie hunderte Elefantenköpfe aussehen. Für mich sind sie das Sahnehäubchen auf einem unvergesslichen Ausflug. Auf ihn folgt freilich unweigerlich der Alltag. Ja, auch sowas gibt es in Thailand. Mehr darüber im nächsten Blog.

Ich paddel dann mal weiter, 
Richard 


Freitag, 12. August 2011

Sakradi, wie geht das mit dem Sawadii?

Sonnenuntergang am Strand unseres Hotels in Khao Lak. Bilder sagen
mehr als Worte. 

Sawaddi Krapp. Hat ein bisschen gedauert, bis ich diese thailändische Allzweck-Grußformel verinnerlicht hatte. Mir haben sich im Verlauf unserer Weltreise schon viele Sprachen ins Ohr geschlichen. Meistens finden ein paar Worte den Weg vorbei an Gehörgang, Trommelfell und Steigbügel, und bleiben schließlich im Großhirn hängen. Aber was die hier in Thailand sprechen, das mag sich in meinem Gedächtnis irgendwie nicht richtig  einnisten. Obwohl die Thai-Sprache, von der seltsamen Schreibung abgesehen, eigentlich als zugänglich gilt. Das erzählen mir zumindest die hier Geborenen, die Englisch oder Deutsch beherrschen und daher einen Vergleich anstellen können. Vielleicht liegt´s einfach nur am asiatischen Overkill. China, Japan, jetzt das frühere Siam, das heutige Prathet Thai, das "Land der Freien", auf gut deutsch Thailand: von Land zu Land, von Region zu Region sprechen und schreiben sie anders. Das reinste Babylon hier in Südostasien. Na egal, ich schweife zu weit ab. Ist jetzt jedenfalls rund drei Wochen her, dass Doreen und ich per Billig-Boeing der Air Asia von Hong Kong nach Phuket transportiert wurden. Mangels Unterkunft am Ankuftstag durften wir die erste Nacht auf einem Balkon oberhalb der Abfertigungshalle im Flughafen verbringen. Auch mal eine interessante Erfahrung, auf einer Sitzbank zu übernachten, mit dem Kopf auf Gepäckwagen und Rucksack ruhend. Aber darüber hat ja Doreen schon ausführlich berichtet.  

Viel Zimmer für wenig Geld, oder?
Im Fitness-Studio werden
all die Pfunde abtrainiert,
die wir uns vor einigen
Monaten in den USA
angefressen haben.
Kann kaum fassen, dass das nun schon wieder so lange her sein soll. Die Zeit verfliegt. Dabei haben wir es wirklich ruhig angehen lassen; haben die Zeit in unserer ebenso wundervollen wie bezahlbaren Luxusbleibe - dem Khaolak Laguna Resort, 37 Euro das Doppelzimmer inkl. Frühstück -  ausgiebig genossen. Manchmal zwangsweise, weil Doreen und mir als Wetter-Legasthenikern nicht klar war, dass der August hier an der südlichen Westküste von Thailand das Ende der Regenzeit und den Beginn des Monsun markiert - also noch mehr Regen, zumindest in der Theorie. Praktisch hat´s nur in den ersten paar Tagen gegossen, dafür aber ordentlich und ununterbrochen. So sehr, dass zwischen dem Vorgarten vor unserer Terrasse und der Teichanlage um die Ecke kaum noch ein Unterschied zu erkennen war. Die Einheimischen erzählen, dass das Wetter verrückt spielt. Eigentlich sollte es trotz Monsun immer nur kurz gießen und dann sonnig sein. So war es immer, nur in diesem Sommer ist alles anders - genau wie in Deutschland, was ich so mitkriege. Aber ich finde das eigentlich ganz schön. Doreen und ich, wir sind unter dem Regenschirm spazieren gegangen; haben uns an den großartigen hoteleigenen Bücherschränken mit deutsch- und englischsprachiger Literatur eingedeckt; und einfach ein bisschen die Ruhe genossen. Nicht viel los hier in Khao Lak an der Andaman-See um diese Jahreszeit. In der Nebensaison ist es fast schon zu ruhig hier. 

Die Bucht von Phang Gna ist das Ziel unseres
ersten Tages-Ausflugs in Thailand. 
Trotzdem gut, dass das Tiefdruckgebiet nach einigen Tagen ein Einsehen hat und sich nach Norden vertschüsst. Zurück bleiben wenige Schäfchenwolken und viele blaue Himmelsflecken - ideal für Sonnenliege, Sonnenbrand und Ausflüge ins Umland. Zum Beispiel einen Trip an einen Ort namens "Ao Phang Gna", den wir über eine Agentur namens Discovery Khao Lak Land an Land ziehen. Wir sind mit einer kleinen Reisegruppe unterwegs, bestehend aus, Doreen und mir und drei weiteren Pärchen aus Deutschland. Die vor fünf Jahren in Thailand gestrandete Exilschweizerin Priska, Typ Hippie, stellt sich uns als Reiseführerin vor. Alles in allem eine sehr nette, sehr deutschsprachige Gemeinschaft durch und durch, mit viel guter Laune und interessanten Gesprächen. Doreen und ich, wir haben uns die letzten Wochen und Monate fast ausschließlich zwischen Asiaten und Englischsprachigen bewegt. Da fühlt es sich einfach entspannend an, wenn wir nicht um Worte ringen und jeden zweiten Satz gedanklich im Kopf zurecht übersetzen müssen, sondern stattdessen einfach doof drauflos plaudern können. 

Ein Dorf auf Stelzen. Hat angeblich sogar
 den Tsunami im Dezember 2004
fast unbeschadet überstanden. 
Longtail-Boote sind das Standard-
Verkehrsmittel auf den  Wasserwegen in Thailand.
Die Kinder im Dorf wachsen ganz
normal auf - gehen zur Schule,
spielen, gucken Fernsehen... 
Den ersten Höhepunkt des Tages erlebe ich, als wir nach der unterhaltsamen Busfahrt gemeinsam in eines der hierzulande weit verbreiteten Longtail-Boote umsteigen. Ich kenne dieses schmalen Holzkähne mit heckbords aufmontiertem Vierzylinder-Benzinmotor samt direkt an die Kurbelwelle angeflanschter Welle plus Schraube nur aus "Rambo" und anderen fiesen Dschungel-Action-Streifen. Jetzt fahre ich selbst in so einem Ding vorbei an undurchdringlichem Bewuchs,  exotischer Natur - und an einem skurrilen Dorf nahe Ko Pan Yi, also der Insel Pan Yi. Dort stehen Häuser, Plätze, Märkte, Schulen und überhaupt einfach alles auf Stelzen im Wasser. Früher haben hier nur ein paar Fischer gewohnt, weit abseits vom Trubel auf dem Festland. Heute leben hier knapp 3000 Menschen, einige davon immer noch vom Fischfang, die meisten aber vom Tourismus. Und sie leben gut davon. Wir sollen uns vom schäbigen Äußeren der aus Treibholz und Wellblech zusammen gezimmerten Hütten nicht täuschen lassen, sagt Priska. Hinter den Fassaden würden wir teure Möbel, große Flachbildfernseher und all das andere Zeug finden, das wir Westeuroäper gemeinhin für lebensnotwendig halten. 

Der Suwan-Kuha-Tempel nahe Khao Lak. Besuchenswert,
wenn man goldene Statuen mag. Oder die
vielen Makaken-Affen vor dem Tempel. 
Nach gut einer Stunde Flußfahrt erreichen wir mit unserem Longtail-Boot Ao Phang Gna, die Bucht von Phang Gna. Würde beim Wettbewerb "Schönste Bucht der Welt" sicher ganz weit vorne landen. Hier weicht das Land dem Meer auf eine Weise, wie ich das noch nirgendwo auf der Welt gesehen habe. Umengen von Kalkstein-Formationen bohren sich aus den Fluten heraus steil hinauf in den Himmel, als hätte sie ein Riese mit einem gewaltigen Hammer aus dem Erdinneren nach oben getrieben. Über dem Wasser bildet der Kalkstein Inseln. Einige davon wirken auf mich völlig außerweltlich, ganz anders als ihre Pendants im Mittelmeer oder Berge in den Alpen. Kaum eine Struktur läuft nach oben spitz aus. Die Formationen gleichen eher gewaltigen Quadern oder Kegeln, die ein wütender Gott ins Wasser gerammt hat. Klick für eine kleine Video-Paddelei durch die Gegend. Grund für die skurrilen Strukturen, erzählt Priska, sei die Beschaffenheit des Kalkstein. Er wird durch Regen und Winde sehr stark zersetzt. Das habe die extreme Formenvielfalt zur Folge. Besonders gut ist das überall  an der Wasserkante zu sehen, da wo das Meerwasser den Stein ständig umspült. Hier wird besonders viel Material abgetragen. Das Meerwasser fräst Löcher und Höhlen ins Gestein, dass man sich bei einigen Inseln kaum vorstellen kann, wie sie der Schwerkraft überhaupt standhalten. Tun sie nicht ewig. Früher oder später kippt eine Insel nach der anderen um, erzählt Priska. Alles nur eine Frage der Zeit. Genau wie der nächste Blog mit dem Thema: Wie schläft es sich in schwimmenden Bambushütten?

Frage zum Schluss: wer kennt den Felsen im Hintergrund, und woher? 
Richard