Freitag, 14. Oktober 2011

Laos und das große Fress-Fest





Um fünf Uhr morgens aus den Federn quälen, noch bevor die Sonne aufgeht und der erste Hahn seinen Weckversuch startet: Was man nicht alles tut, um die laotischen Menschen ein bisschen besser begreifen zu können. Heute beginnt ein wichtiger Tag für die Buddhisten hier in Luang Prabang, will sagen für fast alle Laoten. Es ist der Morgen der ersten Vollmond-Nacht im Oktober. Ein Tag, für laotische Buddhisten ungefähr so bedeutend wie das  "O´zapft is!"  für´s Münchner Oktoberfest. Er markiert "Boun Ok Phansa", eines der größten buddhistischen Feste in Laos. Mit Boun Ok Phansa feiern die Hiesigen das Ende der Regenzeit. Endlich verziehen sich die Wolken, die monatelang den Himmel verdunkelt haben. Wer in den kommenden Wochen heiratet, so heißt es, dem steht ein glückliches Leben bevor. Auch in den Tempeln und Klöstern beginnt sich Leben zu regen. Die Mönche beenden eine Phase kollektiven Fastens und Meditierens. Am Morgen des Boun Ok Phansa, so besagt es die Tradition, verlassen sie ihre Klöster und nehmen wieder teil am Treiben auf der Straße. So jedenfalls lesen sich die romantisierten Beschreibungen des Boun-Ok-Phansa-Festes, zum Beispiel auf dieser Webseite hier.


 Im wahren Leben stellen sich die Dinge ein bisschen anders dar. Ende der Regenzeit? Längst eingeleitet. Hier in Laos haben wir in zwei Wochen keinen Regentropfen abbekommen, und sehen nur noch ein paar letzte Cumulus-Wölkchen über den Horizont klettern. Wir sind froh um jede einzelne davon, wenn sie das beißende Licht der Sonne mildert. Außerdem, von wegen, "Mönche nehmen wieder am Leben teil". In Thailand und Laos sehe ich die Orangebekleideten schon seit Wochen überall herum spazieren, Boun Ok Phansa hin, Zeit zur Meditation her. Sei´s drum. Den romantischen Anstrich der Geschichte, den mag ich. Und so stehen Doreen und ich also um fünf Uhr dreißig morgens an der Marktstraße im Zentrum von Luang Prabang stramm. Wir beobachten die Menschen, wie sie Bodenmatten auf dem Asphalt ausbreiten. Sie legen Äpfel, Bananen, Vasen voller Schokoriegel und Schalen mit "Sticky Rice" darauf aus - einer klebrigen Reisvariante, hierzulande das meistgegessene Gericht. 
Prozession der Mönche: Luang
Prabang gilt als kulturelles
und religiöses Zentrum von Laos.
Hab ein paar Stadtszenen
 in einem Video zusammen
 gefügt. Einfach klicken! 
Ich hab auch zwei Tütchen mit Reisgaben dabei. Hab Doreen dazu gedrängt, dass sie sie einer fliegenden Marktfrau abkauft. Für 20.000 Kipp, rund zwei Euro. Viel zu viel für das bisschen Zeug, ein kleines Vermögen für hiesige Verhältnisse. Davon könnte sich ein Laot drei Abende lang sattessen, oder eine Woche Unterricht in einer Englischschule bekommen. Doreen ist deshalb ein bisschen grantig auf mich. Ich ärgere mich doch selbst. Weil ich mich habe drängen lassen. Weil ich schlecht vorbereitet bin. Weil das Geld an anderer Stelle besser aufgehoben gewesen wäre. Weil die Stimmung leidet. Darüber sinnieren macht´s aber nicht besser. Also Schwamm drüber. 


 Eine Frau winkt mich mit einer Geste an. Sie deutet mit dem Schwung ihrer Hand an, ich könne mich auf den Teppich setzen, den sie gerade auf der Straße auslegt. Nett, danke dafür! Und dann warten wir. Warten auf die Prozession der Mönche. Traditionelle Tempelmusik dringt überall in der Stadt aus ein paar versprengten Megaphonen. Das monotone Miteinander aus hellen Glöckchen und sich wiederholenden Gesängen wirkt auf mich besonders, als läge etwas in der Luft. Die Spannung steigt, als gegen 6 Uhr die Lautstärke der Musik zunimmt. Die Sonne hat ihre Wanderung über den Horizont gerade begonnen. Offenbar ein Aufbruchsignal. Die Mönche aus dem nahen Wat Mai pilgern los. Eine Prozession von vielleicht dreißig Jungs und Männern. Barfuß, mit nichts am Leib außer safranfarbenen Kutten und einer Schale aus Messing am Schulterband baumelnd. So wandern sie an uns vorbei. Der Zug hält nur dann kurz inne, wenn einer der Menschen am Straßenrand eine Opfergabe in einen der Messingbehälter legt. 
Doreen vor dem bunt
geschmückten Tor
zum Wat-Hosian-Tempel. 
Andere Menschen, offenbar Ärmere und vor allem Kinder, halten den Mönchen wiederum leere Körbchen hin. Ich beobachte, wie einige Mönche in ihre Töpfe greifen, etwas herausnehmen und es den Leuten in die Körbchen legen. Aha. Ich bin Zeuge einer Umverteilung. Die Reichen geben den Armen, die Mönche machen den Mittelsmann, live und in Farbe direkt vor mir. 


Ich habe ein bisschen Skrupel, an alldem teilzunehmen, so als Nichtbuddhist und Nichteinheimischer. Außerdem lauern da noch meine Hygiene-Bedenken. Ich hätte jedenfalls wenig Freude an Reisbällchen, die schon durch wer-weiß-wieviele-und-wie-dreckige Hände gegangen sind. Aber was ich bisher von Ortskundigen gehört und gelesen habe, sind Buddhisten im allgemeinen und Laoten im speziellen ein offenes und neugieriges Völkchen. Also greife ich mit einer Hand in die Plastiktüte mit meinem Sticky Reis - die hiesigen schälen den ihren aus hübschen Flechtkörbchen, Neid! -, zupfe mit den Fingern ein etwas faustgroßes Bällchen ab, und lege es dem erstbesten Mönch in seinen Topf. Mein Mut wird belohnt mit einem freundlichen und ermutigenden Lächeln. Danke Dir, unbekannter Mönch!  

Nach etwa einer Stunde brechen Doreen und ich unsere Zelte ab. Ich spüre einen Hauch von Enttäuschung in mir keimen. Doreen wohl auch. Wir hatten laut Schilderungen in diversen Reiseführern und Ortsbeschreibungen ein eindrücklicheres Schauspiel erwartet. Ein volleres Straßenbild, safranfarben, gemalt aus hunderten und tausenden Mönchen überall. Tatsächlich sind vielleicht 40 oder 50 der Erleuchtung Entgegenstrebende an uns vorüber gepilgert, nicht mehr. Eine Kollekte dieser Größenordnung kannst du in Luang Prabang jeden Morgen beobachten. 
Den Rückweg möchte ich deshalb über das Gelände des Wat Hosian gehen; und sehen, ob sich da vielleicht etwas tut, was meine Seele streichelt. Und das tut es. Hier strömen die Menschen zusammen. Dutzende Familien tragen Körbe und Tabletts in den Tempel, im Inneren stapeln sich Suppenschalen, Teller voller Fleisch und Gemüse, Obst und Brot vor staunenden Buddha-Statuen. Mir fällt viel liebenswertes im Detail auf. Zum Beispiel hat jemand an die Drachenwächter-Statuen vor den Eingängen zum Tempel gedacht, und ihnen Reisbällchen in den weit offenstehenden Rachen gelegt. Auch die goldfarben bepinselte Buddhastatue draußen ist bestens versorgt, hat Schokoriegel und Bananen in die Hand gelegt bekommen.  

Damit ist sie bestens versorgt für das, was am zweiten Tag des Boun Ok Phansa folgt: das Lichtfest. Ein irres Fest. Mehr darüber (und ein total buntes Video!) sehr bald im nächsten Blog. Vielleicht schon morgen!   

Gruß auch vom Herrn in Gold, 
Richard

P.S.: 
Noch ein paar aktuelle Worte zwecks Hochwasser in Thailand und weil inzwischen doch ein paar Leute nachfragen, ob wir das am eigenen Leib spüren. In Chiang Mai haben Doreen und ich in den letzten beiden Tagen einmal nasse Füsse bekommen, weil einige Straßen in Flußnähe unter Wasser standen. Die Menschen dort waren aber gut vorbereitet. Unsere Weiterreise nach Laos lief problemlos, und ansonsten kriegen wir vom Hochwasser rein gar nichts mit. Der Regen hat schon vor Wochen nachgelassen, er ist meines Wissens auch nicht der Grund für das Hochwasser. Vielmehr war wohl der Monsun in diesem Jahr insgesamt sehr nachhaltig. Die Stauseen in den Bergregionen sind überlastet und werden in die Flüsse abgelassen. Sonst würden Dämme bersten, und das wäre deutlich katastrophaler, als die Situation für einige Regionen offenbar sowieso schon ist.

2 Kommentare:

  1. Gut das ihr von dem Hochwasser nichts mitbekommt. Nur so wie du schreibst das es nicht so schlimm ist und seit Tagen kein Regen war, so steht es bei uns in der Zeitung anders. Aber beruhigend von dir bzw. euch selber zu hören. Freu mich schon auf den nächsten blog mit dem Lichtfest.

    Liebe Grüße Jutta

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  2. Naja, in Eurer Zeitung wird wahrscheinlich erst über das Hochwasser in der Region berichtet, seit Bangkok betroffen ist. Davon sind wir weit, weit weg. Übrigens haben die Menschen hier in Thailand, genauso in den Nachbarn-Ländern Laos, Kambodscha, Vietnam, schon seit Mitte September mit Flut und Hochwasser zu kämpfen. Google mal nach "Siem Reap Flood" und staune, was da Mitte September los war. Nach Siem Reap wollen wir eigentlich auch noch. Mal gucken, ob das klappt.

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